TOP – The Offline Photographer
Der wichtigste blog für Fotografie ist down. Mike Johnstons ›The Online Photographer‹ (theonlinephotographer.

Für Mike ist das bitter, sichert ihm der blog doch sein finanzielles Auskommen. Er hat sich kurz geärgert, dass er nicht längst die Plattform gewechselt hat – im Gespräch ist das schon seit Jahren und das Arbeiten mit Typepad war wohl immer mal hakelig – und kam dann schnell ins Tun. Er sicherte sich erstmal seine Inhalte lokal und schrieb neue Beiträge; hoffentlich bekommt er zusätzlich einen sauberen Export der Master-Typepad-Daten in ↱ deren proprietärem Format???.

Die Soforthilfe meines ↱ Sohnes??? hat Mike jedenfalls nicht angenommen.
Unerwartet war ›The Online Photographer‹ ab 4. September nicht mehr erreichbar – man weiß nicht, warum (vielleicht Überlastung der Server, weil die Kunden massiv ihren Content abschlauchen, vielleicht Ignoranz oder Unachtsamkeit der Typepad-Techniker).
Ab und zu ist der blog noch erreichbar; wer noch etwas nachlesen möchte, sollte also hinterher sein.
Mikes Plan ist nun, sich einen WordPress-blog basteln zu lassen, finanziert durch treue Leserinnen über einen Ad-hoc-Fundraiser. Wenn alles klappt, sollte ›The Online Photographer‹ (Ver. 3.0) bald über ↱ theonlinephotographer.

100 Jahre Leica: 100 Jahre Kleinbildfotografie
Das Stadtarchiv Reutlingen erinnert derzeit mit einer kleinen Vitrinenausstellung an die Erfindung der Kleinbildfotografie vor 100 Jahren.
1925 brachte die Firma Leitz mit der »Leica« (Leitz-Camera) ihre erste Fotokamera auf den Markt und erfand damit das Kleinbildformat, das den modernen Bildjournalismus ermöglichte und so die Fotogeschichte nachhaltig prägte.

Foto: Dohm/StadtA Rt. S 105/5 Nr. 10044/2
Auch die Fotografinnen und Fotografen der ehemaligen Reutlinger Fotohäuser Dohm und Näher, deren Bildbestände das Stadtarchiv verwahrt, dokumentierten das Stadtleben auf Kleinbildfilm. Zudem wurden in beiden Fotogeschäften Leica-Kameras verkauft.

Foto: Dohm/StadtA Rt. S 105/5 Nr. 3878/38
Die Ausstellung zeigt zum einen fotografierende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Dohm und Näher in seltenen Behind the scenes-Fotos aus den 1940er- und 1950er-Jahren. Zum anderen belegen Schnappschüsse, dass die Leica auch bei privaten Ausflügen der Familie Dohm dabei war – ganz im Sinne ihres Erfinders Oskar Barnack (1879–1936), der die Leica ursprünglich für sich selbst zum Mitnehmen auf seine Wanderungen entworfen hat.

Foto: Dohm/StadtA Rt. S 105/5 Nr. 883/32
Die Vitrine ist während der Öffnungszeiten des Rathauses zugänglich.
Weiterführender technikhistorischer Text zur frühen Leica-Geschichte: → 100 Jahre Leica | 100 Jahre Kleinbildfotografie???
Frau von hinten

Wohl am frühen Abend aufgenommen, vielleicht des Lichts wegen, vielleicht hat es sich auch erst dann ergeben. Was ergab sich noch? Musste Anonymität gewahrt werden, um ihre Identität und Privatsphäre zu schützen? Will sie nicht fotografiert werden und hat sich weggedreht? Hat der Fotograf an den Mönch gedacht? Ist es eine Modefotografie? So viele und noch mehr Möglichkeiten, das Bild zu deuten.
Unergründlich, die Person. Wir Voyeure beobachten sie beim beobachten. Es gibt ja die Idee, wir könnten aus einem fotografierten Gesicht etwas über die abgebildete Person erfahren. Hm, … doch wohl eher etwas über uns und unsere Projektionen. So jedenfalls muss ich mir ihr Gesicht vorstellen – damit fängt es an, schnell ergibt sich daraus eine Geschichte.
Aus meiner Sicht war es jedenfalls eine tolle Entscheidung des Fotografen, diese Pose aufzunehmen. Es gibt auf demselben Film zwar auch ein zugewandtes Portrait von ihr am selben Ufer. Für ihn als Erinnerungsbild vielleicht wertvoller – für mich aber ist diese Rückenansicht kanpp 80 Jahre später wesentlich spannender.
Foto: Dohm/
Schauen wir uns doch mal von außen an
Das Zeitmagazin (Nr. 34 vom 09.08.2025) hat sich Bharat Sikka gegönnt und ihn fotografierend acht Tage lang durch Deutschland reisen lassen, mit Assistent und Producerin. Die Idee war, den »Besucher aus einem anderen Teil der Welt« unser Land »von außen« betrachten zu lassen. Publiziert unter dem hochtrabenden Titel Wie die Welt auf Deutschland blickt.
Sikka hat sich im Interview sehr nett zu Deutschland geäußert (im Sinne von: Rassismus, wo soll der sein?) und entsprechend eine wohlwollende Fotostrecke abgeliefert (Deutschland sei »sehr fotogen«). Sein Roadtrip hat ihn in einem Bogen von Berlin durch den äußersten Osten (ja, er kam auch durch Sonnenberg – und hat dort eine Aufnahme des Andromedanebels abfotografiert) und Franken nach Frankfurt/M. geführt. Sieht ganz so aus, als müsse ›Die Welt‹ noch ein paar Reisen machen, um auf Deutschland zu blicken.

Skizze und Foto: Martin Frech, 08/2025
Wir sehen die bewährte Mischung aus arrangierten Portraits von Tieren und Menschen (wie Modefotografie, gerne von Leuten mit sichtbarem Einwanderer-Hintergrund oder mit ausgefallenen Hobbys), skuril anmutenden Motiven, Interieurs sowie betont dokumentarischen Ansichten, diese dann zur Abwechslung in grau.
Schön anzuschauen, gewiss; Irritationen kommen keine auf, die semantischen Indifferenzen der Fotos werden durch die dokumentierenden Bildunterschriften sofort in die richtigen Bahnen gelenkt – und die den Fotos fehlenden Ortsbezüge prompt nachgereicht. Den Rest müssen wir reinprojizieren.
Die Redaktion schreibt, er hätte ›poetische Alltagsmomente‹ entdeckt; ach so?
Weiterlesen:
Wiegand, Thomas: Deutschland im Fotobuch ; 287 Fotobücher zum Thema Deutschland aus der Zeit von 1915 bis 2009. Hg. von Manfred Heiting. Göttingen: Steidl, 2011. ISBN 978-3-86930-249-2
Der Brutalist (Spielfilm, 2024 | Kritik)
Ein Film über eine fiktive Familie, die den NS und deren Vernichtungslager überlebt hat; entsprechend beschädigt: Sie, schwerkranke Journalistin im Rollstuhl, er, nun drogenabhängiger Architekt, sowie die Ziehtochter, die junge, jahrelang stumme Nichte. Ein Neuanfang in den USA wird versucht, in Pennsylvania (Louis Kahn!). Aber schon die Freiheitsstatue steht Kopf, bei den Ostküsten-WASP sind die Juden auch nicht gewollt. Eine kapitalistische, rassistische Klassengesellschaft eben (»Wir dulden Sie«) – es ist klar: wer das Geld hat, hat das Sagen und darf sich alles erlauben. Allen voran der vergewaltigende Bauherr und sein Sohn – Brutalisten, die sich ausgerechnet ein Kulturzentrum mit Kapelle bauen lassen; es wird Fragment bleiben. Solidarität gibt es nur unter den Besitzlosen (alleinerziehender schwarzer Vater, wozu steht der eigentlich in so vielen Bildern rum) in der Suppenküche – unnötig holzschnittartig.
Warum aber der angedeutete ›eigentliche‹ Brutalismus im Film? Ich weiß es nicht. Da ist der Architekt, der sein Trauma künstlerisch fasst: Der Grundriss der Zelle von Buchenwald dient als Rastermaß für das Kulturzentrum, Düsternis allenthalben. Ja, irgendwie passt das schon. Denn: Reicht die Verwendung von Beton, damit ein Gebäude ›brutalistisch‹ ist? Im weiteren Sinne vielleicht; zurückgehend auf Le Corbusiers Nachkriegsschaffen (Unité d'Habitation/
Dennoch: Kein Film über Architektur; der Entwurfsprozess und das Ringen um Kompromisse/
Aber: Musste der kontrafaktische Epilog sein, der KI-gestützt zeigt, wie brutalistische Architektur auf der Biennale 1980 in Venedig zu einer Zeit gefeiert wird, als der ›echte‹ Brutalismus erstmal am Ende war? Tatsächlich stand die 1. Internationale Architektur-Biennale Venedig 1980 unter dem Motto »La presenza del passato« und feierte die Postmoderne, die ja gerade ironisch auf das strenge Entwerfen reagierte: verspielt, bunt, eklektizistisch. Das hat gar nicht gepasst für mich.
Wenn Sie sich für die Architektur des Brutalismus interessierten: Lassen Sie sich bitte nicht von diesem Film in die Irre führen; schauen Sie erstmal auf ↱ #SOS
Infos zum Film via IMDb: ↱ imdb.