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Martin Frech

See­brücke Wustrow, vor 25 Jah­ren

Mei­ne his­to­ri­sche Auf­nah­me vom 29.10.2000 zeigt die 1992 neu er­rich­te­te See­brücke des Ost­see­bads Wustrow auf der Halb­in­sel Fisch­land-Darß-Zingst.
Der links ab­ge­bil­de­te Schiffs­an­le­ger wur­de 2012 ab­ge­baut, 2014 wur­de dort ein Leucht­türm­chen er­rich­tet als Er­satz für den 2016 ab­ge­risse­nen al­ten Leucht­turm.

Farbfoto: Panoramablick auf der Seebrücke Ostseebad Wustrow. (Foto: Martin Frech, 10/2000)
Ich ha­be immer ger­ne auf Dia­film fo­to­gra­fiert (hier Ko­dak Ek­ta­chrome E 100 S)
(Fo­to: Mar­tin Frech, 10/2000)
Farbfoto: Panoramablick auf der Seebrücke Ostseebad Wustrow. (Foto: Martin Frech, 10/2000)

In den 1990er-Jah­ren ha­be ich mich in­ten­siv mit di­gi­ta­len in­ter­ak­ti­ven Me­di­en be­schäf­tigt, ins­be­son­de­re in­ter­ak­ti­ve Pa­no­ra­men hat­ten es mir an­ge­tan. Mit Quick­Time VR (QTVR) gab es die Mög­lich­keit, fo­to­gra­fier­te Pa­no­ra­men ele­gant in ent­spre­chen­de An­wen­dun­gen zu in­te­grie­ren. Bald be­schaff­te ich mir die Quick­Time VR Au­thor­ing Tools Suite von Apple (das war ein Pa­ket aus zwei di­cken Ord­nern Do­ku­men­ta­ti­on, ei­ni­gen Dis­ket­ten und ei­nem Don­gle) und ar­bei­te­te als Dienst­leister für Agen­tu­ren.

Das ha­ke­li­ge Auf­neh­men der Ein­zel­bilder und spä­te­re Ver­rech­nen der Scans zu Pa­no­ra­men (sti­chen) fand ich je­doch un­be­frie­di­gend und ha­be mir bald ei­ne spe­ziel­le Pa­no­ra­ma­ka­me­ra an­ge­schafft, die »⁠Round­shot Su­per 220 VR⁠« der Fir­ma Seitz Pho­to­tech­nik – da­mit kann ich zy­lin­dri­sche Pa­no­ra­men kom­plett in ei­ner Auf­nah­me auf Roll­film auf­neh­men, in­dem die ro­tie­ren­de Ka­me­ra das Mo­tiv durch ei­nen Schlitz kon­ti­nu­ier­lich auf den Film be­lich­tet. Dreh­win­kel grö­ßer als 360° sind mög­lich, so­lange der Film reicht (die Län­ge des re­sul­tie­ren­den Ne­ga­tivs oder Dias ist von der Brenn­weite des Auf­nah­me­ob­jek­tivs ab­hän­gig).

Zu mei­nem ganz gro­ßen Be­dau­ern ist Quick­Time VR schon lan­ge Ge­schich­te; Apple hat das nur bis Quick­Time 7 un­ter­stützt.

Schwarzweißfoto: Das Bild zeigt eine Person bei der Arbeit mit der Panoramakamera Seitz Roundshot Super 220 VR. (Foto: Claudia Maas, 10/2000)
Der Su­cher die­ser Ka­me­ra ist seit­lich an­ge­bracht: Der Au­tor bei der Ar­beit mit der Seitz Round­shot.
(Fo­to: Clau­dia Maas, 10/2000)
Schwarzweißfoto: Das Bild zeigt eine Person bei der Arbeit mit der Panoramakamera Seitz Roundshot Super 220 VR. (Foto: Claudia Maas, 10/2000)

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Martin Frech

Con­di­tio hu­ma­na

Schwarzweißfoto: Personen an einer Bushaltestelle in Paris (Foto: StadtA Rt./Dohm, 10/1949)
Schwarzweißfoto: Personen an einer Bushaltestelle in Paris (Foto: StadtA Rt./Dohm, 10/1949)

Die Frau trägt ein Kopf­tuch und ei­nen of­fen­en Man­tel über dem Kleid, ih­re Ar­me sind ver­schränkt. Das Mo­tiv der An­steck­na­del kann ich nicht er­ken­nen. Sie schaut knapp an der Ka­me­ra vor­bei und ist um­ge­ben von wei­te­ren Per­so­nen; alle sind gut ge­klei­det und hal­ten Ab­stand. Ein Mann trägt ei­nen Kof­fer, ein an­de­rer ei­ne Ak­ten­ta­sche. Die Leu­te schei­nen zu war­ten. Die Frau hat ei­ne Hand­ta­sche und hält ein Pa­pier­chen in der lin­ken Hand, auf dem Bo­den lie­gen wei­te­re – Bil­letts? Ist das an ei­ner Bus­halte­stelle? Ich weiß es nicht: Das ist das letz­te Bild auf ei­nem Klein­bild­film mit Mo­ti­ven aus Paris im Stil der street pho­tog­ra­phy.

Ein viel­schich­tig­es Bild: Im Vor­der­grund die Frau vor ei­ner Stre­be, bei­na­he fron­tal als Ganz­por­trait. Die Stre­be ragt hin­ter ihr auf und teilt das Bild in Drit­tel. Links und rechts bil­den zwei Män­ner an­ge­schnit­ten den Bild­rand. Der Mit­tel­grund wird do­mi­niert von wei­te­ren Per­so­nen, die meis­ten von der Ka­me­ra ab­ge­wandt. Im Hin­ter­grund ist un­scharf Stadt­land­schaft zu er­ah­nen: Au­tos, ei­ne Stra­ßen­la­ter­ne und Häu­ser oder Bäu­me im Dunst.

Es sind die Ge­sich­ter, die mich an die­sem Bild fas­zi­nie­ren. Sie wirkt in sich ge­kehrt; ist das ein trau­ri­ger Blick? Nach län­ge­rem Be­trach­ten den­ke ich eher, sie ist mü­de – oder ge­lang­weilt. Dann der Mann rechts mit dem mar­kan­ten Pro­fil, die Zi­ga­ret­te im Mund­win­kel. Sein lin­kes Au­ge ist ver­schat­tet; schaut er sie an? Starrt er ins Lee­re? Wei­ter hin­ten im Bild ste­hen sich zwei Frau­en ge­gen­über, bei­de im Kos­tüm. Sie schei­nen aber nicht mit­ein­an­der zu re­den, schau­en an­ein­an­der vor­bei, aus­drucks­los. Das vier­te Ge­sicht ist das des Man­nes im Hin­ter­grund links; er wirkt kon­zen­triert, ist viel­leicht im Ge­spräch mit der Frau, die ne­ben ihm steht. Kei­ne Fröh­lich­keit, nir­gends.

Das Bild er­innert mich an un­ser Be­dingt­sein, das war 1949 nicht an­ders als heu­te. Viel­leicht soll­ten wir uns das öf­ter deut­lich ma­chen: wie an­ge­wie­sen, zer­brech­lich und be­dürf­tig das mensch­li­che Da­sein ist in sei­ner End­lich­keit – aber auch, wie un­se­re Na­ta­li­tät das Er­zäh­len da­rü­ber erst mög­lich macht. Gu­te Schnapp­schüsse kön­nen das trig­gern.

Fo­to: Dohm/StadtA Rt. S 105/5 Nr. 1061/38

(Das Ni­t­ro­zel­lu­lo­se-Ne­ga­tiv wur­de nach der Si­che­rungs­ver­fil­mung ver­nich­tet.)
Re­pro vom Mi­kro­film: Mar­tin Frech, 10/2025

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Martin Frech

Ma­ria Rei­che: Wüs­te statt Par­tys
(Spiel­film, 2025 | Kri­tik)

Mich be­ein­druckt es sehr, wenn je­mand in jun­gen Jah­ren ein The­ma fin­det und das ei­ge­ne Le­ben in der Fol­ge kon­se­quent um die Ar­beit an die­sem The­ma he­rum or­ga­ni­siert. Die 1903 ge­bo­re­ne Ma­ria Rei­che war wohl ei­ne sol­che Per­son. In Dres­den zur Leh­re­rin aus­ge­bil­det (Stu­di­um der Ma­the­ma­tik, Phy­sik und Geo­gra­fie an der dor­ti­gen TH), wan­der­te sie 1932 nach Pe­ru aus, hat dort als Sprach­leh­re­rin ge­ar­bei­tet und auf Um­we­gen zur Ar­chäo­lo­gie ge­fun­den: Ihr Leb­ens­the­ma wur­de die Er­for­schung der Naz­ca-Li­nien, die durch ihr En­ga­ge­ment schließ­lich 1995 Teil des UNESCO-Welt­kul­tur­er­bes wur­den. Die schon zu Leb­zei­ten hoch­ge­ehr­te Ma­ria Rei­che starb 1998 mit 95 Jah­ren in Pe­ru; zum 115. Ge­burts­tag gab es ei­nen Goo­gle-Doo­dle.

⁠ ⁠nasca.geoinformation.htw-dresden.de/linien.htm;
⁠ ⁠googlewatchblog.de/2018/05/maria-reiche-nazca-doodle/

Der Spiel­film »⁠Ma­ria Rei­che: Das Ge­heim­nis der Naz­ca-Li­nien⁠« ist in­spi­riert von die­ser Bio­gra­phie. In schwel­gen­den Bil­dern (Ka­me­ra: Gilles Por­te) zeigt er uns ei­ne hei­le und voll­kom­men ana­lo­ge Welt in den 1930er-Jah­ren, die je­doch mit Au­tos, Te­le­fo­nen, Schreib­ma­schi­nen, Flug­zeu­gen und der Fo­to­gra­fie schon über alle not­wen­di­ge Tech­nik zur Welt­an­eig­nung ver­fügt. Die Fa­schis­men der Zeit sind weit weg auf der an­de­ren Sei­te der Welt und die Ex­pats von dort las­sen es sich gut­ge­hen in Li­ma. Nichts Über­grif­fi­ges weit und breit, nir­gends ein dop­pel­tes Spiel.

Ma­ria Rei­che (De­vrim Ling­nau Is­la­mo­ğlu) reicht das nicht und als sie zu­fäl­lig die im Wes­ten noch weit­ge­hend un­be­kann­ten Geo­gly­phen bei Naz­ca im süd­öst­li­chen Pe­ru sieht, ist es um sie ge­sche­hen: In ei­nem klei­nen Zelt lässt sie sich selbst­los in Nach­bar­schaft ei­ner in­di­ge­nen Fa­mi­lie un­ter ei­nem Man­go­baum nie­der und be­ginnt mit der Si­che­rung und Er­for­schung der his­to­ri­schen Scharr­zeich­nung­en. Sie hat ih­ren Le­bens­in­halt ge­fun­den: »⁠Zum ers­ten Mal in mei­nem Le­ben ha­be ich das Ge­fühl, am rich­ti­gen Ort zu sein. Ich füh­le hier ei­ne tie­fe Ver­bun­den­heit mit mir selbst⁠«. (Neid kommt auf.) Im hel­len Kleid und leich­ten Schu­hen (Wüs­ten­son­ne) ist sie fort­an dort zu­gan­ge und ver­nach­lässigt da­rü­ber so­gar die Be­zie­hung zu ih­rer Freun­din. Schön an­zu­se­hen ist, wie die Haupt­dar­stel­le­rin immer wie­der mit ih­rer Rollei­flex in der le­der­nen Be­reit­schafts­ta­sche un­ter­wegs ist um die Li­nien zu fo­to­gra­fie­ren (Sand? Von Rollei gab es übri­gens ein me­tal­le­nes Tro­pen­ge­häu­se). Wa­rum ha­ben die Au­to­ren ei­gent­lich auf das Nach­stel­len der po­ten­ti­ell spek­ta­ku­lä­ren Sze­ne ver­zich­tet, wie sich die ech­te Ma­ria Rei­che an ei­nem Hub­schrau­ber fest­bin­den ließ, um Luft­auf­nah­men von den Naz­ca-Li­nien an­zu­fer­ti­gen?

Ein Kon­flikt bahnt sich an, als der Groß­grund­be­sit­zer be­ginnt, sich die Wüs­te an­zu­eig­nen. Sei­ne Ar­bei­ter zer­stö­ren beim An­le­gen von Baum­woll­plan­ta­gen (in der Wüs­te, echt jetzt?) Tei­le der ur­al­ten Zeich­nung­en. Ma­ria wird bei ihm vor­stel­lig und trifft ihn auf sei­ner Ha­ci­en­da beim Frei­luft­ba­den in der ori­gi­na­len Wan­ne ei­nes der Piz­za­ros. Die­se bi­zar­re Si­tu­a­ti­on ist ei­ne von nur zwei Sze­nen, in de­nen die ko­lon­ia­le Last des Landes zag­haft an­ge­deu­tet wird; die an­de­re ist der non­cha­lan­te Hin­weis ei­ner In­di­ge­na, die auf Nach­fra­ge von Ma­ria Rei­che nichts zur Be­deu­tung der Li­nien sa­gen kann, da ihr Volk durch die Con­quis­ta von ih­rer Ver­gan­gen­heit ab­ge­schnit­ten sei. Wei­ter im Text. Bald kommt es denn auch ohne Um­we­ge zum glück­li­chen En­de, kei­ne Über­län­ge.

In Echt war die Ge­schich­te wohl kom­pli­zier­ter, klar. Das Team um den Re­gis­seur Da­mien Dor­saz weicht in der Fik­ti­o­na­li­sie­rung teils er­heb­lich von den tat­säch­li­chen Be­ge­ben­hei­ten ab. Ge­schenkt; man kann das ja leicht zu­gäng­lich nach­le­sen. Der Film gibt sich un­spek­ta­ku­lär. Rei­ches Neu­gier und ih­re Be­ses­sen­heit kom­men rü­ber, ih­re wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis­se wer­den zart an­ge­deu­tet; ein ins­ge­samt bar­ri­e­re­ar­mes Ki­no­ver­gnü­gen. Ich ha­be den Film viel­leicht ge­ra­de des­we­gen ger­ne an­ge­schaut.

In­fos zum Film via IMDb: ⁠ ⁠imdb.com/de/title/tt12349818/

Wei­ter­le­sen:
Da­ria Eva Stan­co: Die Wüs­ten­fe­ger­in. The­lem: Dres­den 2024. ISBN 978-3-95908-314-0

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Martin Frech

Ein Ne­ga­tiv, vie­le Far­ben

Fol­gen­des his­to­ri­sche Farb­ne­ga­tiv (Ko­dak Koda­color X) liegt vor:

Farbbild (Negativ): Eine Frau unterschreibt eine Urkunde im Beisein einer Amtsperson. (Foto: StadtA Rt./Dohm, 1967)
Das Ne­ga­tiv auf der Leucht­platte, di­gi­ta­li­siert mit ei­ner DSLR-Ka­me­ra [A]
Farbbild (Negativ): Eine Frau unterschreibt eine Urkunde im Beisein einer Amtsperson. (Foto: StadtA Rt./Dohm, 1967)

Es gibt vie­le Me­tho­den, das Bild aus­zu­ar­bei­ten – je­de er­zeugt ein an­de­res Bild, kei­ne ist ›⁠falsch⁠‹, aber wel­ches ist richt­ig?

Farbbild: Eine Frau unterschreibt eine Urkunde im Beisein einer Amtsperson. (Foto: StadtA Rt./Dohm, 1967)
In Ado­be Photo­shop: Be­schnei­den | In­ver­tie­ren | Ton­wert­kor­rek­tu­ren in den ein­zel­nen Farb­ka­nä­len | Neu­tral­ton de­fi­nie­ren | leich­te Farb­kor­rek­tur: +R, −M | Sät­ti­gung der Ma­gen­ta­tö­ne re­du­ziert
(so ma­che ich das üb­li­cher­wei­se)
Farbbild: Eine Frau unterschreibt eine Urkunde im Beisein einer Amtsperson. (Foto: StadtA Rt./Dohm, 1967)
Farbbild: Eine Frau unterschreibt eine Urkunde im Beisein einer Amtsperson. (Foto: StadtA Rt./Dohm, 1967)
In Ado­be Cam­era Raw: Be­schnei­den
in Ado­be Photo­shop: Color­Perfect-Plug­In
(mit die­sem Plug-In ha­be ich auch vie­le gu­te Er­fahr­un­gen ge­macht)
Farbbild: Eine Frau unterschreibt eine Urkunde im Beisein einer Amtsperson. (Foto: StadtA Rt./Dohm, 1967)
Farbbild: Eine Frau unterschreibt eine Urkunde im Beisein einer Amtsperson. (Foto: StadtA Rt./Dohm, 1967)
In Ado­be Light­room Clas­sic: Be­schnei­den | Neu­tral­ton de­fi­nie­ren | Cine­Still Neg­a­tive+ Con­vert Tools (Pre­set LOG Flat) | Ton­werte au­to­ma­tisch [B']
Farbbild: Eine Frau unterschreibt eine Urkunde im Beisein einer Amtsperson. (Foto: StadtA Rt./Dohm, 1967)
Farbbild: Eine Frau unterschreibt eine Urkunde im Beisein einer Amtsperson. (Foto: StadtA Rt./Dohm, 1967)
In Ado­be Cam­era Raw: Be­schnei­den | Neu­tral­ton de­fi­nie­ren
in Ado­be Photo­shop: In­ver­tie­ren | Hel­lig­keits- und Kon­trast­kor­rek­tur [Kon­trast­kor­rek­tur(In­ver­tiert([B]))]
(Dass die­se Me­tho­de ein so ›⁠schö­nes⁠‹ Bild pro­du­ziert, hat mich wirk­lich über­rascht – und zu die­sem Post mo­ti­viert.)
Farbbild: Eine Frau unterschreibt eine Urkunde im Beisein einer Amtsperson. (Foto: StadtA Rt./Dohm, 1967)

Fo­to: Dohm/StadtA Rt. S 105/5 Nr. 8334/06;
Re­pro und Aus­ar­bei­tun­gen: Mar­tin Frech, 9/2025

Color­Perfect: ⁠ ⁠colorperfect.com
Cine­Still Neg­a­tive+ Con­vert Tools: ⁠ ⁠cinestillfilm.com/products/cs-negative-convert-tools

Wei­ter­le­sen:
Péni­chon, Syl­vie: Twen­tieth-Cen­tu­ry Col­or Pho­to­graphs ; Iden­ti­fi­ca­tion and Care. Los An­ge­les, CA: Getty Con­ser­va­tion In­sti­tute. ISBN 978-1-60606-156-5. Dort ins­be­son­de­re das Ka­pi­tel 5: »⁠Dye Cou­pling (or Chro­mo­gen­ic) Pro­cesses⁠«

Ad­den­dum (Jo­na­than Frech, 2025-09-24).
Als Mar­tin da­von schwärm­te, wie schön (wenn auch et­was auf­ge­hübscht-plas­tik­ar­tig) [B'] sei, schmor­ten bei mir Be­den­ken, der Gru­sel-La­den Ado­be hät­te auch in de­ren Pro­dukt Cam­era Raw das Pi­pet­ten­werk­zeug un­lau­ter mit tren­di­gen Da­ten­fäl­schungs­tech­ni­ken auf­ge­motzt. Fol­gen­de Ana­ly­se der Trans­for­ma­ti­on [A] [B] be­ruhigt be­nan­nte Be­den­ken:

Es sei trafo: [A] [B] die men­gen­wer­ti­ge Ab­bil­dung, die im YCbCr-Farb­raum (der dem JPEG-For­mat na­tive Farb­raum) je­dem [A]-YCbCr-Tri­pel (das oran­gene Bild) alle ir­gen­dwo für die­ses Tri­pel vor­kom­men­de [B]-YCbCr-Tri­pel (das hüb­sche Bild, ohne Hel­lig­keits­an­pas­sun­gen, in­ver­tiert) zu­ord­net. Im Fal­le un­lau­ter­er Im­ple­men­tie­run­gen von Ado­bes Sei­te wä­re trafo höchst er­ra­tisch, da auf­grund hö­her­se­man­ti­scher Er­kennt­nis­se Mehr­en­tro­pie aus dem Welt­da­ten­satz ein­ge­speist wor­den wä­re. Dem ist aber nicht so; fol­gen­des Bild [C] vi­su­a­li­siert die Vo­lu­mi­na der Mi­ni­mal­qua­der in der Ziel­menge von trafo (schwarz be­zeich­net das Ein­heits­vo­lu­men, weiß das Ma­xi­mum al­ler auf­tre­ten­den Vo­lu­mi­na):

Visualisierung der Minimalquadervolumina der Differenz eines Orangnegativs und einer Adobe-Camera-Raw-Interpretation dessen. (Foto: Jonathan Frech, 2025)
Da­ten­vi­su­ali­sie­rung [C] (s⁠.⁠ ⁠o⁠.)
Visualisierung der Minimalquadervolumina der Differenz eines Orangnegativs und einer Adobe-Camera-Raw-Interpretation dessen. (Foto: Jonathan Frech, 2025)

Es bil­den sich er­kennt­lich JPEG-Ar­te­fak­te ab und hoch­vo­lu­mi­ge Qua­der kor­re­lie­ren nicht mit hö­her­se­man­ti­schen Struk­tu­ren wie z⁠.⁠ ⁠B⁠. Ge­sich­tern oder Per­so­nen.
Zu­dem sind Rea­li­sa­tio­nen {(x,y)~Unif(trafo([A](x,y)))} [B''] (hier nicht ab­ge­bil­det) nicht von­ein­an­der un­ter­scheid­bar (i⁠.⁠ ⁠a⁠.⁠ ⁠W⁠.: die Qua­der sind alle­samt sehr klein).

Da­ten­vi­su­ali­sie­rung selbst durch­füh­ren (Quell­text ist ⁠ ⁠EUPL???-li­zen­siert; Im­ple­men­tie­rungs­spra­che ist ⁠ ⁠Go???):

go install www.medienfrech.de/foto/NzF/2025-09-24/cmd/ycbr_multimap_codomain_volumes@v1.0.0

export PATH="$PATH":"${GOBIN:-${GOPATH:-$HOME/go}/bin}"
ycbr_multimap_codomain_volumes -h

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Martin Frech

Tschüß, Rem­jet

Schon in­te­r­es­sant: Seit Jah­ren wird wie­der an Farb­film ge­ar­bei­tet; und ich mei­ne nicht die My­ri­a­den von Re­spoo­lern. Ilford bas­telt am ›⁠Phoenix⁠‹, Adox am ›⁠Col­or Mis­sion⁠‹ und Filmo­tec am ›⁠Wol­fen⁠‹. Kei­ner von de­nen kriegt so richt­ig was hin, alle ver­kau­fen ih­re Be­ta­ver­si­on­en – Ma­te­ri­al, das frü­her höchs­tens in Hin­ter­zim­mern ge­zeigt wor­den wä­re. Wenn wir Ko­dak nicht hät­ten (und Chi­na Lucky, de­ren neu­er, im Juli of­fi­zi­ell vor­ge­stell­ter, ›⁠Lucky 200⁠‹ wohl auch ein kor­rek­ter Film ist) …

Ohne groß da­rü­ber zu re­den, hat Ko­dak in den ver­gan­ge­nen acht Jah­ren mit enorm­em Auf­wand das Vision3-Ma­te­ri­al über­ar­bei­tet und gründ­lich tes­ten las­sen; da­mit sind sie jetzt fer­tig. Das neue Ma­te­ri­al wur­de an­ge­kün­digt, ist ver­füg­bar und soll auf­nah­me­sei­tig in allen Be­lan­gen kom­pa­ti­bel mit den bis­he­ri­gen Vision3-Va­ri­an­ten sein (des­we­gen auch kein neu­er Na­me) – ei­ne tech­ni­sche Meis­ter­leis­tung. So soll das sein.

Die Än­de­rung gilt für alle For­ma­te, von Su­per-8- bis 65 mm-Film, und ist schlicht spek­ta­kul­är: Es gibt kei­ne Rem­jet-Schicht mehr.

Schema: Schichtaufbau des alten und neuen Vision3-Materials von Kodak.
⁠ ⁠kodak.com/en/motion/page/ahu-announcement/
Schema: Schichtaufbau des alten und neuen Vision3-Materials von Kodak.

Al­les wich­ti­ge steht hier: ⁠ ⁠Kodak Vi­sion3 AHU Cam­era Neg­a­tive Films ; Talking points for Film­mak­ers???

Für La­bor­kun­den ist der Über­gang also trans­pa­rent, aber für Selbst­ver­arbei­ter sind das wun­der­bare Neu­ig­kei­ten – ist doch das Ent­fer­nen der Ruß­schicht ei­ne echt läs­ti­ge An­ge­le­gen­heit. Und die Cross­ent­wick­lung um­ge­roll­ter Short-Ends in C-41 ist nun ein Kin­der­spiel. Wer al­ler­dings ger­ne das Bleich­bad über­brückt, hat ein Prob­lem we­gen des Sil­bers in der neu­en Licht­hof­schutz­schicht. Da das ja gar nicht so sel­ten ge­macht wird, bin ich ge­spannt, was es da für ei­ne Lö­sung gibt; im o⁠.⁠ ⁠a⁠. Do­ku­ment hält sich Ko­dak je­den­falls be­deckt: Please speak with your lab or Kodak rep­re­sen­ta­tive if you’re in­ter­est­ed in al­ter­na­tive pro­cess­ing.

Stellt sich die Fra­ge, wie lan­ge die La­bo­re noch tra­di­ti­o­nel­le ECN-2-Ent­wick­lung in­klu­si­ve Ab­rubb­eln des Rem­jets an­bie­ten. Ich den­ke, es ist ei­ne gu­te Idee, die Kühl­truhen zu lee­ren. Und wer mit ver­chrom­ten An­druck­plat­ten bis­her schon Licht­hof-Prob­leme mit ›⁠Dou­ble-X⁠‹ hat, muss mit­tel­fris­tig viel­leicht über ei­nen Um­bau der Ka­me­ra nach­den­ken.

In­te­r­es­sant wird, wie es mit Cine­still wei­ter­geht. Wenn de­ren Ma­te­ri­al plötz­lich ei­ne Licht­hof­schutz­schicht hat, kann man ja gleich das ›⁠rich­ti­ge⁠‹ Fo­to-Film­ma­te­ri­al kau­fen.

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Martin Frech

TOP – The Off­line Pho­tog­ra­pher

Der wich­tigs­te blog für Fo­to­gra­fie ist down. Mike Johnstons ›⁠The On­line Pho­tog­ra­pher⁠‹ (theonlinephotographer.typepad.com) wur­de der Ste­cker ge­zo­gen: Type­pad hat sei­nem Kun­den nach 17 Jah­ren am 27. Au­gust mit­ge­teilt, dass der Dienst zum 30. Sep­tem­ber ein­ge­stel­lt wird und sei­ne Tex­te in den Or­kus rau­schen. Das wä­re ein her­ber Ver­lust – er schreibt: In 17 years I had writ­ten some five mil­lion words, the equiv­a­lent in length to 50 novels – there were 9.300+ posts, and readers had left more than 300.000 comm­ents – many of them er­u­dite, in­formed, and con­tain­ing stories, ex­pe­ri­ences, and ex­per­tise you could find no­where else. (⁠ ⁠gofundme.com/f/the-online-photographer-would-like-to-relaunch)

Screenshot: von ›The Online Photographer‹ zu ›The Offline Photographer‹ verballhornte Titelleiste
Screenshot: von ›The Online Photographer‹ zu ›The Offline Photographer‹ verballhornte Titelleiste

Für Mike ist das bit­ter, sichert ihm der blog doch sein fi­nan­zi­ell­es Aus­kom­men. Er hat sich kurz ge­är­gert, dass er nicht längst die Platt­form ge­wech­selt hat – im Ge­spräch ist das schon seit Jah­ren und das Ar­bei­ten mit Type­pad war wohl immer mal ha­ke­lig – und kam dann schnell ins Tun. Er sicher­te sich erst­mal sei­ne In­hal­te lo­kal und schrieb neue Bei­trä­ge; hof­fent­lich be­kommt er zu­sätz­lich ei­nen sau­be­ren Ex­port der Mas­ter-Type­pad-Da­ten in ⁠ ⁠de­ren pro­prie­tär­em For­mat???.

Screenshot: ›Just in case my e-mail gets somehow lost in the noise: I wrote you an e-mail about my ideas how to archive TOP. Posted by: Jonathan Frech | Sunday, 31 August 2025 at 06:18 PM‹
Screenshot: ›Just in case my e-mail gets somehow lost in the noise: I wrote you an e-mail about my ideas how to archive TOP. Posted by: Jonathan Frech | Sunday, 31 August 2025 at 06:18 PM‹

Die So­fort­hil­fe mei­nes ⁠ ⁠Soh­nes??? hat Mike je­den­falls nicht an­ge­nom­men.

Un­er­war­tet war ›⁠The On­line Pho­tog­ra­pher⁠‹ ab 4. Sep­tem­ber nicht mehr er­reich­bar – man weiß nicht, wa­rum (viel­leicht Über­last­ung der Ser­ver, weil die Kun­den mas­siv ih­ren Con­tent ab­schlau­chen, viel­leicht Ig­no­ranz oder Un­acht­sam­keit der Type­pad-Tech­ni­ker).

Ab und zu ist der blog noch er­reich­bar; wer noch et­was nach­le­sen möch­te, soll­te also hin­ter­her sein.

Mikes Plan ist nun, sich ei­nen Word­Press-blog bas­teln zu las­sen, fi­nan­ziert durch treue Le­ser­innen über ei­nen Ad-hoc-Fund­rai­ser. Wenn al­les klappt, soll­te ›⁠The On­line Pho­tog­ra­pher⁠‹ (Ver. 3.0) bald über ⁠ ⁠theonlinephotographer.com er­reich­bar sein.

Kommt bald: ›The Online Photographer‹ in Version 3.0 (Screenshot)
Der Re­launch deu­tet sich an.
Kommt bald: ›The Online Photographer‹ in Version 3.0 (Screenshot)

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Martin Frech

100 Jah­re Lei­ca: 100 Jah­re Klein­bild­fo­to­gra­fie

Das Stadt­archiv Reut­lin­gen er­innert der­zeit mit ei­ner klei­nen Vi­tri­nen­aus­stel­lung an die Er­fin­dung der Klein­bild­fo­to­gra­fie vor 100 Jah­ren.

1925 brach­te die Fir­ma Leitz mit der »⁠Lei­ca⁠« (Leitz-Cam­era) ih­re ers­te Fo­to­ka­me­ra auf den Markt und er­fand da­mit das Klein­bild­for­mat, das den mo­der­nen Bild­jour­na­lis­mus er­mög­lich­te und so die Fo­to­ge­schich­te nach­hal­tig präg­te.

Farbfoto, Nachtaufnahme: Schaufensterfront Fotohaus Dohm, Wilhelmstr. 1, Reutlingen. (Foto: StadtA Rt./Dohm, 1963)
Fo­to Dohm, Wil­helm­stra­ße, Reut­lin­gen (1963)
Fo­to: Dohm/StadtA Rt. S 105/5 Nr. 10044/2
Farbfoto, Nachtaufnahme: Schaufensterfront Fotohaus Dohm, Wilhelmstr. 1, Reutlingen. (Foto: StadtA Rt./Dohm, 1963)

Auch die Fo­to­gra­fin­nen und Fo­to­gra­fen der ehe­ma­li­gen Reut­ling­er Fo­to­häu­ser Dohm und Nä­her, de­ren Bild­be­stän­de das Stadt­archiv ver­wahrt, do­ku­men­tier­ten das Stadt­le­ben auf Klein­bild­film. Zu­dem wur­den in bei­den Fo­to­ge­schäf­ten Lei­ca-Ka­me­ras ver­kauft.

Schwarzweißbild: Ein Fotograf steht auf einer Leiter und lässt sich von seine Assistentin eine Kamera reichen. (Foto: StadtA Rt./Dohm, 1956)
Pe­ter Dohm wählt ei­ne Lei­ca, um den Um­zug des Kin­der­fests in der un­te­ren Wil­helm­stra­ße zu fo­to­gra­fie­ren (1956)
Fo­to: Dohm/StadtA Rt. S 105/5 Nr. 3878/38
Schwarzweißbild: Ein Fotograf steht auf einer Leiter und lässt sich von seine Assistentin eine Kamera reichen. (Foto: StadtA Rt./Dohm, 1956)

Die Aus­stel­lung zeigt zum ei­nen fo­to­gra­fie­ren­de Mit­ar­bei­ter­innen und Mit­ar­bei­ter von Dohm und Nä­her in sel­ten­en Be­hind the scenes-Fo­tos aus den 1940er- und 1950er-Jah­ren. Zum an­de­ren be­le­gen Schnapp­schüsse, dass die Lei­ca auch bei pri­va­ten Aus­flü­gen der Fa­mi­lie Dohm da­bei war – ganz im Sin­ne ih­res Er­fin­ders Oskar Barnack (1879⁠–⁠1936), der die Lei­ca ur­sprüng­lich für sich selbst zum Mit­neh­men auf sei­ne Wan­de­rung­en ent­wor­fen hat.

Schwarzweißfoto: Fotografinnen und Fotografen bei der Arbeit. (Foto: StadtA Rt./Dohm, 1949)
Un­be­kan­nte Fo­to­gra­fin do­ku­men­tiert 1949 das Stadt­ring­ren­nen in Tü­bin­gen mit ei­ner Lei­ca.
Fo­to: Dohm/StadtA Rt. S 105/5 Nr. 883/32
Schwarzweißfoto: Fotografinnen und Fotografen bei der Arbeit. (Foto: StadtA Rt./Dohm, 1949)

Die Vi­tri­ne ist wäh­rend der Öff­nungs­zei­ten des Rat­haus­es zu­gäng­lich.

Wei­ter­füh­ren­der tech­nik­his­to­ri­scher Text zur frü­hen Lei­ca-Ge­schich­te: ⁠ ⁠100 Jah­re Lei­ca | 100 Jah­re Klein­bild­fo­to­gra­fie???

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Martin Frech

Frau von hin­ten

Schwarzweißfoto: Frau steht mit dem Rücken zur Kamera am Wasser. (Foto: StadtA Rt./Dohm, 9/1946)
am Was­ser (Sep­tem­ber 1946)
Schwarzweißfoto: Frau steht mit dem Rücken zur Kamera am Wasser. (Foto: StadtA Rt./Dohm, 9/1946)

Wohl am frü­hen Abend auf­ge­nom­men, viel­leicht des Lichts we­gen, viel­leicht hat es sich auch erst dann er­ge­ben. Was er­gab sich noch? Mus­ste Ano­ny­mi­tät ge­wahrt wer­den, um ih­re Iden­ti­tät und Pri­vat­sphä­re zu schüt­zen? Will sie nicht fo­to­gra­fiert wer­den und hat sich weg­ge­dreht? Hat der Fo­to­graf an den Mönch ge­dacht? Ist es ei­ne Mo­de­fo­to­gra­fie? So vie­le und noch mehr Mög­lich­keiten, das Bild zu deu­ten.

Un­er­gründ­lich, die Per­son. Wir Vo­yeu­re be­ob­ach­ten sie beim be­ob­ach­ten. Es gibt ja die Idee, wir könn­ten aus ei­nem fo­to­gra­fier­ten Ge­sicht et­was über die ab­ge­bil­de­te Per­son er­fah­ren. Hm, … doch wohl eher et­was über uns und un­se­re Pro­jek­tio­nen. So je­den­falls muss ich mir ihr Ge­sicht vor­stel­len – da­mit fängt es an, schnell er­gibt sich da­raus ei­ne Ge­schich­te.

Aus mei­ner Sicht war es je­den­falls ei­ne tol­le Ent­schei­dung des Fo­to­gra­fen, die­se Po­se auf­zu­neh­men. Es gibt auf dem­sel­ben Film zwar auch ein zu­ge­wandtes Por­trait von ihr am sel­ben Ufer. Für ihn als Er­in­ne­rungs­bild viel­leicht wert­vol­ler – für mich aber ist die­se Rü­cken­an­sicht kanpp 80 Jah­re spä­ter we­sent­lich span­nen­der.

Fo­to: Dohm/StadtA Rt. S 105/5 Nr. 459/12

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Martin Frech

Schau­en wir uns doch mal von au­ßen an

Das Zeit­ma­ga­zin (Nr. 34 vom 09.08.2025) hat sich Bharat Sikka ge­gönnt und ihn fo­to­gra­fierend acht Ta­ge lang durch Deutsch­land rei­sen las­sen, mit As­sis­tent und Pro­du­ce­rin. Die Idee war, den »⁠Be­su­cher aus ei­nem an­de­ren Teil der Welt⁠« un­ser Land »⁠von au­ßen⁠« be­trach­ten zu las­sen. Pub­li­ziert un­ter dem hoch­tra­ben­den Ti­tel Wie die Welt auf Deutsch­land blickt.

Sikka hat sich im In­ter­view sehr nett zu Deutsch­land ge­äu­ßert (im Sin­ne von: Ras­sis­mus, wo soll der sein?) und ent­spre­chend ei­ne wohl­wol­len­de Fo­to­stre­cke ab­ge­lie­fert (Deutsch­land sei »⁠sehr fo­to­gen⁠«). Sein Road­trip hat ihn in ei­nem Bo­gen von Ber­lin durch den äu­ßers­ten Os­ten (ja, er kam auch durch Son­nen­berg – und hat dort ei­ne Auf­nah­me des An­dro­me­da­ne­bels ab­fo­to­gra­fiert) und Fran­ken nach Frank­furt/M. ge­führt. Sieht ganz so aus, als müs­se ›⁠Die Welt⁠‹ noch ein paar Rei­sen ma­chen, um auf Deutsch­land zu bli­cken.

Skizze: Umriss Deutschlands mit eingezeichneter Route von Berlin nach Frankfurt/M. (Foto: Martin Frech, 8/2025)
Die un­ge­fäh­re Rei­se­rou­te. Das Team ist al­ler­dings wohl noch wei­ter süd­lich ge­we­sen, wie das Bild ei­ner Scheu­er zeigt.
Skiz­ze und Fo­to: Mar­tin Frech, 08/2025
Skizze: Umriss Deutschlands mit eingezeichneter Route von Berlin nach Frankfurt/M. (Foto: Martin Frech, 8/2025)

Wir se­hen die be­währ­te Mi­schung aus ar­ran­gier­ten Por­traits von Tie­ren und Men­schen (wie Mo­de­fo­to­gra­fie, ger­ne von Leu­ten mit sicht­ba­rem Ein­wan­de­rer-Hin­ter­grund oder mit aus­ge­fal­le­nen Hobbys), sku­ril an­mu­ten­den Mo­ti­ven, In­te­ri­eurs so­wie be­tont do­ku­men­ta­ri­schen An­sich­ten, die­se dann zur Ab­wechs­lung in grau.

Schön an­zu­schau­en, ge­wiss; Ir­ri­ta­tio­nen kom­men kei­ne auf, die se­man­ti­schen In­dif­fe­ren­zen der Fo­tos wer­den durch die do­ku­men­tie­ren­den Bild­un­ter­schrif­ten so­fort in die rich­ti­gen Bah­nen ge­lenkt – und die den Fo­tos feh­len­den Orts­be­zü­ge prompt nach­ge­reicht. Den Rest müs­sen wir rein­pro­ji­zie­ren.

Die Re­dak­ti­on schreibt, er hät­te ›⁠poe­ti­sche All­tags­mo­men­te⁠‹ ent­deckt; ach so?

Wei­ter­le­sen:
Wie­gand, Tho­mas: Deutsch­land im Fo­to­buch ; 287 Fo­to­bü­cher zum The­ma Deutsch­land aus der Zeit von 1915 bis 2009. Hg. von Man­fred Hei­ting. Göt­tin­gen: Steidl, 2011. ISBN 978-3-86930-249-2

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Martin Frech

Der Bru­ta­list (Spiel­film, 2024 | Kri­tik)

Ein Film über ei­ne fik­ti­ve Fa­mi­lie, die den NS und de­ren Ver­nich­tungs­la­ger über­lebt hat; ent­spre­chend be­schä­digt: Sie, schwer­kran­ke Jour­na­lis­tin im Roll­stuhl, er, nun dro­gen­ab­hän­gi­ger Ar­chi­tekt, so­wie die Zieh­toch­ter, die jun­ge, jah­re­lang stumme Nich­te. Ein Neu­an­fang in den USA wird ver­sucht, in Penn­syl­va­nia (Louis Kahn!). Aber schon die Frei­heits­sta­tue steht Kopf, bei den Ost­küs­ten-WASP sind die Ju­den auch nicht ge­wollt. Ei­ne ka­pi­ta­lis­ti­sche, ras­sis­ti­sche Klas­sen­ge­sell­schaft eben (»⁠Wir dul­den Sie⁠«) – es ist klar: wer das Geld hat, hat das Sa­gen und darf sich al­les er­lau­ben. Allen vo­ran der ver­ge­wal­ti­gen­de Bau­herr und sein Sohn – Bru­ta­lis­ten, die sich aus­ge­rech­net ein Kul­tur­zen­trum mit Ka­pel­le bau­en las­sen; es wird Frag­ment blei­ben. So­li­da­ri­tät gibt es nur un­ter den Be­sitz­lo­sen (al­lein­er­zie­hen­der schwar­zer Va­ter, wo­zu steht der ei­gent­lich in so vie­len Bil­dern rum) in der Sup­pen­kü­che – un­nö­tig holz­schnitt­ar­tig.

Wa­rum aber der an­ge­deu­te­te ›⁠ei­gent­li­che⁠‹ Bru­ta­lis­mus im Film? Ich weiß es nicht. Da ist der Ar­chi­tekt, der sein Trau­ma künst­le­risch fasst: Der Grund­riss der Zel­le von Bu­chen­wald dient als Ras­ter­maß für das Kul­tur­zen­trum, Düs­ter­nis al­lent­hal­ben. Ja, ir­gend­wie passt das schon. Denn: Reicht die Ver­wen­dung von Be­ton, da­mit ein Ge­bäu­de ›⁠bru­ta­lis­tisch⁠‹ ist? Im wei­te­ren Sin­ne viel­leicht; zu­rück­ge­hend auf Le Cor­bu­si­ers Nach­kriegs­schaf­fen (Uni­té d'Ha­bi­ta­tion/Mar­seille). Aber ei­gent­lich soll­te dem Ge­bäu­de schon ein ide­ell­er An­spruch zu Grun­de lie­gen und der Be­ton dann das fol­ge­rich­ti­ge ›⁠au­then­ti­sche⁠‹ Ma­te­ri­al sein, ger­ne kom­bi­niert mit Stahl und Glas. Wer­den dann noch mas­si­ve Vo­lu­mi­na rau, struk­tu­rell ehr­lich und skulp­tu­ral ent­wor­fen und auf zu­sätz­li­che Far­be ver­zich­tet, um­so bes­ser (die Smith­son). Wer jetzt ›⁠Bau­haus⁠‹ denkt: Ja, auch das war ein Wen­de­punkt im 20. Jahr­hun­dert und auch dort war so­zia­les En­ga­ge­ment wich­tig, die Ma­te­ri­a­li­tät und die For­men wa­ren je­doch zu­rück­hal­tend, ele­gant. Der Film zeigt den Ge­gen­satz ja auch sehr schön: Licht und Leich­tig­keit im ganz­heit­lich mi­ni­ma­lis­ti­schen Kon­zept nach mensch­li­chem Maß­stab (die Pri­vat­bi­blio­thek mit an­ge­deu­te­ter Breuer-Lie­ge) vs. Be­ton­mas­se mit sicht­ba­ren Scha­lungs­struk­tu­ren: der Bru­ta­lis­mus der ra­di­ka­len Be­ton­mons­ter der Wohl­fahrts­staa­ten (das her­me­ti­sche Van-Buren-In­sti­tut, das sei­nen Bau­herrn auch noch schluckt).

Den­noch: Kein Film über Ar­chi­tek­tur; der Ent­wurfs­pro­zess und das Rin­gen um Kom­pro­mis­se/Bud­get­fra­gen wer­den nur an­ge­deu­tet (ein­sa­mes lei­den­des Ge­nie), eben­so die Aus­füh­rung. Viel­mehr: Ein be­rüh­ren­der Film, der an Hand in­ti­mer Si­tu­a­ti­onen zeigt, wie zer­stö­re­risch nicht the­ra­pier­te Trau­ma­ta wir­ken. Die Dar­stel­ler­ïnnen spie­len be­ängs­ti­gend gut in ei­nem tol­len De­sign, das in epi­schen Bil­dern ge­zeigt wird, be­glei­tet von ex­qui­si­ter Mu­sik. Ob­wohl es spät wur­de: zu lang war mir der Film ge­wiss nicht.

Aber: Mus­ste der kon­tra­fak­ti­sche Epi­log sein, der KI-ge­stützt zeigt, wie bru­ta­lis­ti­sche Ar­chi­tek­tur auf der Bi­en­na­le 1980 in Ve­ne­dig zu ei­ner Zeit ge­fei­ert wird, als der ›⁠ech­te⁠‹ Bru­ta­lis­mus erst­mal am En­de war? Tat­säch­lich stand die 1. In­ter­na­ti­o­na­le Ar­chi­tek­tur-Bi­en­na­le Ve­ne­dig 1980 un­ter dem Mot­to »⁠La pre­sen­za del pas­sa­to⁠« und fei­er­te die Post­mo­der­ne, die ja ge­ra­de iro­nisch auf das stren­ge Ent­wer­fen re­agier­te: ver­spielt, bunt, ek­lek­ti­zis­tisch. Das hat gar nicht ge­passt für mich.

Wenn Sie sich für die Ar­chi­tek­tur des Bru­ta­lis­mus in­te­res­sier­ten: Las­sen Sie sich bit­te nicht von die­sem Film in die Irre füh­ren; schau­en Sie erst­mal auf ⁠ ⁠#SOSBRUTALISM??? [2025-08-13] und Sie wer­den se­hen.

In­fos zum Film via IMDb: ⁠ ⁠imdb.com/de/title/tt8999762/ [2025-08-13]

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