Peter Jenny: Notizen zur Fototechnik (Buchbesprechung)
»Fehler [beim Bedienen des Fotoapparates] wirken sich kaum aus.« (S. 10) So ist das – und deswegen wird das Fotografieren-lernen ja auch häufig unsystematisch angegangen: Man eignet sich das Grundwissen an und legt los. Wenn die Bilder ›passen‹ ist das gut, wenn nicht, muss man eben nochmal ran; nimmt man diese Feedbackschleife ernst, ist der Fortschritt garantiert. Dabei kann Peter Jennys Buch helfen.
Der Herausgeber (damals Prof. für Bildnerisches Gestalten an der ETH Zürich) hat die kleinformatigen Notizen in acht Kapitel gegliedert: Bildentstehung, Blende, Verschluss, Objektiv, Kamera, Licht, Material und Labor; die letzten beiden umfassen etwa die Hälfte des Umfangs. Damit ist klar: Zielgruppe sind emulsionsbasiert Fotografierende.

Die knappen Darstellungen sind praxisgerecht, die schlichte Gestaltung unterstützt das: links der Lehrtext, rechts die Beispiele (auch wenn sich die ein oder andere Abbildung nicht auf den ersten Blick erschließt und manche wie Lückenfüller wirken).
An einigen Stellen wäre etwas mehr Ausführlichkeit allerdings hilfreich; auch hätten einige Farbtafeln beispielsweise den Text über ›Farbkorrekturfilter‹ im nur einfarbig gedruckten Buch sinnvoll ergänzt. Das Thema ›Blende‹ wird zwar behandelt, die Blendenreihe bleibt unverständlicherweise außen vor. Im Abschnitt ›Kamera‹ geht es um verschiedene Kleinbildkameras, das Mittelformat wird jedoch nur kurz angesprochen und Fachkameras fehlen gleich ganz. Die ›spektrale Sensibilisierung‹ wird erwähnt, ein oder zwei erklärende Sätze, was die Farbstoffe im Schwarzweißfilm denn bewirken, hätten jedoch auch hier nicht geschadet (beim Farbfilm wird gar nicht auf den Schichtaufbau eingegangen). Und dann ist mir zwar klar, dass Ausführungen zur ›Brennweite von Objektiven‹ das Format sprengen würden; leider, denn aus meinen Lehrveranstaltungen weiß ich, dass das auch Anfängerinnen durchaus interessiert. Den Hinweis, wer das verstehen will, solle sich eingehend mit den optischen Problemen auseinandersetzen, hätte man sich dann aber auch sparen können. (S. 56)
Sehr praxisnah ist das umfangreiche Kapitel ›Licht‹, in dem auch die Lichtarten, das Messen des Lichts, das manuelle Blitzen und die Reproduktionsfotografie nicht zu kurz kommen. Lichtdiagramme und viele Bildbeispiele verdeutlichen das Geschriebene.
Die Texte der einzelnen Kapiteln sind nicht namentlich gekennzeichnet und erscheinen stilistisch uneinheitlich. Peter Jenny tritt als Herausgeber auf, Autor des Nachworts ist Jürg H. Meyer. Ich habe den Eindruck, dass das Werk ein leicht überarbeitetes Skript zu vorlesungsbegleitenden Übungen ist.
Gelegentlich stören unsaubere Formulierungen (etwa beim Text über das forcierte Entwickeln, S. 168) oder gar Fehler den Lesefluss. So ist der exposure index keineswegs die englische Bezeichnung für die Filmempfindlichkeit (S. 114), sondern beschreibt ein zentrales Konzept der Schwarzweißfotografie, das Filmmaterial der gestalterischen Intention entsprechend zu nutzen. Und was ist eine ›Chromsilberemulsion‹ (S. 170)? Im Kapitel ›Labor‹ irritieren Aussagen über Uranverstärker für zu dünne Negative (S. 172), Inspektion während der Negativentwicklung (S. 174) oder Salzsäure als Klärbad gegen Kalkschleier (S. 178). Es liest sich, als wäre ein Text aus den 1930-Jahren wiederverwertet worden.
Aber allein die sieben Seiten Vorwort sind die Lektüre des Büchleins wert. Dort formuliert Peter Jenny neun Regeln für den Umgang mit Fotografie als Anregung, wirklich eigene Fotos anzufertigen. »Die Fotografie ist ein Schleier: durch ihn hindurch erscheint die Welt individuell gefärbt […]« (S. 9 f)
Insgesamt hält der Titel, was er verspricht: Es sind in Form gebrachte Notizen zur grundlegenden Fototechnik der emulsionsbasierten (analogen) Kleinbildfotografie und insofern dazu geeignet, das Selbststudium zu strukturieren – zusätzliche Literatur ist jedoch nötig. Schade also, dass es trotz des akademischen Ursprungs kein Literaturverzeichnis gibt.
Sehr 1970er-Jahre aber ganz wunderbar ist das beigelegte 16-seitige Faltblatt »Camera Obscura« (er meint allerdings die Lochkamera), geschrieben als »Kontrastprogramm« zur vielen Fototechnik im Buch; aber eigentlich ein bebildertes, die angesprochenen ›Regeln‹ aus dem Vorwort ergänzendes Manifest von Peter Jenny:
Das technisch optimal unterstützte Auge ist nicht unbedingt auch ein denkendes, ein kreatives Auge. Auch Augen müssen umdenken, kritisch denken, Tabus brechen, Dinge sehen, die nicht genehm, die nicht opportun sind.
Ich beziehe mich hier auf den unveränderten Nachdruck 2025 der 12. Aufl. von 2009. Sein Alter merkt man dem Text an vielen Stellen an: Die angegebenen Links auf Zusatzmaterial funktionieren nicht mehr und die mehrfachen Hinweise auf APS und anderes von uns gegangene Material sind nicht mehr praxistauglich; auch das deutlich ein Vierteljahrhundert alte Schlusskapitel Fototechnik – wohin führt der Weg ist rührend schlecht gealtert und liest sich wie eine Zeitreise zurück. Das 2025 im Impressum suggeriert also fehlende Aktualität – bitte überarbeiten.
Übrigens: φωτός ist der Genitiv von τὸ φῶς, eine Fotografie ist sinngemäß also eine Zeichnung vom Licht gemacht (gen. subiectivus). Fotografieren meint also nicht mit Licht zeichnen (S. 16), sondern eher, das Licht zeichnen lassen.
Jenny, Peter (Hrsg.): Notizen zur Fototechnik. 12. unveränd. Aufl. 2009, unveränd. Nachdr. Mit einem Nachwort von Jürg H. Meyer und dem Faltblatt Camera Obscura (16 S.) Zollikon/CH: vdf Hochschulverlag, 2025. 212 S. ISBN 978-3-7281-3268-0