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Peter Jenny: No­ti­zen zur Fo­to­tech­nik (Buch­be­spre­chung)

Martin Frech

»⁠Feh­ler [beim Be­die­nen des Fo­to­ap­pa­ra­tes] wir­ken sich kaum aus.⁠« (S. 10) So ist das – und des­we­gen wird das Fo­to­gra­fie­ren-ler­nen ja auch häu­fig un­sys­te­ma­tisch an­ge­gan­gen: Man eig­net sich das Grund­wis­sen an und legt los. Wenn die Bil­der ›⁠pas­sen⁠‹ ist das gut, wenn nicht, muss man eben noch­mal ran; nimmt man die­se Feed­back­schlei­fe ernst, ist der Fort­schritt ga­ran­tiert. Da­bei kann Peter Jennys Buch hel­fen.

Der He­raus­ge­ber (da­mals Prof. für Bild­ne­ri­sches Ge­stal­ten an der ETH Zü­rich) hat die klein­for­ma­ti­gen No­ti­zen in acht Ka­pi­tel ge­glie­dert: Bild­ent­ste­hung, Blen­de, Ver­schluss, Ob­jek­tiv, Ka­me­ra, Licht, Ma­te­ri­al und La­bor; die letz­ten bei­den um­fassen et­wa die Hälf­te des Um­fangs. Da­mit ist klar: Ziel­grup­pe sind emul­si­ons­ba­siert Fo­to­gra­fie­ren­de.

Farbfoto (Fischauge): Eine Hand hält das Buch ›Notizen zur Fototechnik‹ von Peter Jenny vor die Kamera. (Foto: Martin Frech, 9/2025)
Farbfoto (Fischauge): Eine Hand hält das Buch ›Notizen zur Fototechnik‹ von Peter Jenny vor die Kamera. (Foto: Martin Frech, 9/2025)

Die knap­pen Dar­stel­lun­gen sind pra­xis­ge­recht, die schlich­te Ge­stal­tung un­ter­stützt das: links der Lehr­text, rechts die Bei­spie­le (auch wenn sich die ein oder an­de­re Ab­bil­dung nicht auf den ers­ten Blick er­schließt und man­che wie Lü­cken­fül­ler wir­ken).

An ei­ni­gen Stel­len wä­re et­was mehr Aus­führ­lich­keit al­ler­dings hilf­reich; auch hät­ten ei­ni­ge Farb­ta­feln bei­spiels­wei­se den Text über ›⁠Farb­kor­rek­tur­fil­ter⁠‹ im nur ein­far­big ge­druck­ten Buch sinn­voll er­gänzt. Das The­ma ›⁠Blen­de⁠‹ wird zwar be­hand­elt, die Blen­den­rei­he bleibt un­ver­ständ­li­cher­wei­se au­ßen vor. Im Ab­schnitt ›⁠Ka­me­ra⁠‹ geht es um ver­schie­de­ne Klein­bild­ka­me­ras, das Mit­tel­for­mat wird je­doch nur kurz an­ge­spro­chen und Fach­ka­me­ras feh­len gleich ganz. Die ›⁠spek­tral­e Sen­si­bi­li­sie­rung⁠‹ wird er­wähnt, ein oder zwei er­klä­ren­de Sätze, was die Farb­stof­fe im Schwarz­weiß­film denn be­wir­ken, hät­ten je­doch auch hier nicht ge­schadet (beim Farb­film wird gar nicht auf den Schicht­auf­bau ein­ge­gan­gen). Und dann ist mir zwar klar, dass Aus­füh­rung­en zur ›⁠Brenn­weite von Ob­jek­tiv­en⁠‹ das For­mat spren­gen wür­den; lei­der, denn aus mei­nen Lehr­ver­an­stal­tung­en weiß ich, dass das auch An­fän­ge­rin­nen durch­aus in­te­r­es­siert. Den Hin­weis, wer das ver­ste­hen will, solle sich ein­ge­hend mit den op­ti­schen Pro­ble­men aus­ei­nan­der­set­zen, hät­te man sich dann aber auch spa­ren kön­nen. (S. 56)

Sehr pra­xis­nah ist das um­fang­rei­che Ka­pi­tel ›⁠Licht⁠‹, in dem auch die Licht­ar­ten, das Mes­sen des Lichts, das ma­nu­el­le Blitzen und die Re­pro­duk­tions­fo­to­gra­fie nicht zu kurz kom­men. Licht­dia­gram­me und vie­le Bild­bei­spie­le ver­deut­li­chen das Ge­schrie­be­ne.

Die Tex­te der ein­zel­nen Ka­pi­teln sind nicht na­ment­lich ge­kenn­zeich­net und er­schei­nen sti­lis­tisch un­ein­heit­lich. Peter Jenny tritt als He­raus­ge­ber auf, Au­tor des Nach­worts ist Jürg H. Meyer. Ich ha­be den Ein­druck, dass das Werk ein leicht über­ar­bei­te­tes Skript zu vor­le­sungs­be­glei­ten­den Übung­en ist.

Ge­le­gent­lich stö­ren un­sau­be­re For­mu­lie­run­gen (et­wa beim Text über das for­cierte Ent­wick­eln, S. 168) oder gar Feh­ler den Lese­fluss. So ist der ex­po­sure in­dex keines­wegs die eng­li­sche Be­zeich­nung für die Film­emp­find­lich­keit (S. 114), son­dern be­schreibt ein zen­tra­les Kon­zept der Schwarz­weiß­fo­to­gra­fie, das Film­ma­te­ri­al der ge­stal­te­ri­schen In­ten­ti­on ent­spre­chend zu nut­zen. Und was ist ei­ne ›⁠Chrom­sil­ber­emul­sion⁠‹ (S. 170)? Im Ka­pi­tel ›⁠La­bor⁠‹ ir­ri­tie­ren Aus­sa­gen über Uran­ver­stä­rker für zu dün­ne Ne­ga­tive (S. 172), In­spek­ti­on wäh­rend der Ne­ga­tiv­ent­wick­lung (S. 174) oder Salz­säu­re als Klär­bad ge­gen Kalk­schlei­er (S. 178). Es liest sich, als wä­re ein Text aus den 1930-Jah­ren wie­der­ver­wer­tet wor­den.

Aber allein die sie­ben Sei­ten Vor­wort sind die Lek­tü­re des Büch­leins wert. Dort for­mu­liert Peter Jenny neun Re­geln für den Um­gang mit Fo­to­gra­fie als An­re­gung, wirk­lich ei­ge­ne Fo­tos an­zu­fer­ti­gen. »⁠Die Fo­to­gra­fie ist ein Schlei­er: durch ihn hin­durch er­scheint die Welt in­di­vi­du­ell ge­färbt […]⁠« (S. 9 f)

Ins­ge­samt hält der Ti­tel, was er ver­spricht: Es sind in Form ge­brach­te No­ti­zen zur grund­le­gen­den Fo­to­tech­nik der emul­si­ons­ba­sier­ten (ana­lo­gen) Klein­bild­fo­to­gra­fie und in­so­fern da­zu ge­eig­net, das Selbst­stu­di­um zu struk­tu­rie­ren – zu­sätz­li­che Li­te­ra­tur ist je­doch nö­tig. Scha­de also, dass es trotz des aka­de­mi­schen Ur­sprungs kein Li­te­ra­tur­ver­zei­chn­is gibt.

Sehr 1970er-Jah­re aber ganz wun­der­bar ist das bei­ge­le­gte 16-sei­ti­ge Falt­blatt »⁠Ca­me­ra Ob­scu­ra⁠« (er meint al­ler­dings die Loch­ka­me­ra), ge­schrieben als »⁠Kon­trast­pro­gramm⁠« zur vie­len Fo­to­tech­nik im Buch; aber ei­gent­lich ein be­bil­der­tes, die an­ge­spro­che­nen ›⁠Re­geln⁠‹ aus dem Vor­wort er­gän­zen­des Ma­ni­fest von Peter Jenny:

Das tech­nisch op­ti­mal un­ter­stütz­te Au­ge ist nicht un­be­dingt auch ein den­ken­des, ein krea­ti­ves Au­ge. Auch Au­gen müs­sen um­den­ken, kri­tisch den­ken, Ta­bus bre­chen, Din­ge se­hen, die nicht ge­nehm, die nicht oppor­tun sind.

Ich be­ziehe mich hier auf den un­ver­än­der­ten Nach­druck 2025 der 12. Aufl. von 2009. Sein Al­ter merkt man dem Text an vie­len Stel­len an: Die an­ge­ge­be­nen Links auf Zu­satz­ma­te­ri­al funk­tio­nie­ren nicht mehr und die mehr­fa­chen Hin­weise auf APS und an­de­res von uns ge­gan­ge­ne Ma­te­ri­al sind nicht mehr pra­xis­taug­lich; auch das deut­lich ein Vier­tel­jahr­hun­dert al­te Schluss­ka­pi­tel Fo­to­tech­nik – wo­hin führt der Weg ist rüh­rend schlecht ge­al­tert und liest sich wie ei­ne Zeit­rei­se zu­rück. Das 2025 im Im­pres­sum sug­ge­riert also feh­len­de Ak­tu­a­li­tät – bit­te über­ar­bei­ten.

Übri­gens: φωτός ist der Ge­ni­tiv von τὸ φῶς, ei­ne Fo­to­gra­fie ist sinn­ge­mäß also ei­ne Zeich­nung vom Licht ge­macht (gen. sub­iec­ti­vus). Fo­to­gra­fie­ren meint also nicht mit Licht zeich­nen (S. 16), son­dern eher, das Licht zeich­nen las­sen.

Jenny, Pe­ter (Hrsg.): No­ti­zen zur Fo­to­tech­nik. 12. un­ver­änd. Aufl. 2009, un­ver­änd. Nachdr. Mit ei­nem Nach­wort von Jürg H. Meyer und dem Falt­blatt Ca­me­ra Ob­scu­ra (16 S.) Zolli­kon/CH: vdf Hoch­schul­ver­lag, 2025. 212 S. ISBN 978-3-7281-3268-0

Zitierempfehlung (.BibTeX, .txt):
Frech, Martin: »Peter Jenny: No­ti­zen zur Fo­to­tech­nik (Buch­be­spre­chung)«. In: Notizen zur Fotografie, 2025-09-11. Online: https://www.medienfrech.de/foto/NzF/2025-09-11_Martin-Frech_jenny-fototechnik-buchbesprechung.html
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