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Das Nasse Kol­lo­di­um­ver­fah­ren – ei­ne fo­to­his­to­ri­sche Verortung

Martin Frech
Abstract.
Am ver­gan­ge­nen Frei­tag [14.03.2014] wur­de in der schael­pic pho­to­kunst­bar (Köln) mit ei­ner Ver­nis­sa­ge die Aus­stel­lung »Trans­for­ma­ti­on – vom Da­mals ins Heu­te (mo­der­ne Wet­plate-Pho­to­gra­phie)« mit Bil­dern von Ste­fan Sappert er­öff­net. Zur Ein­führ­ung in die Aus­stel­lung habe ich das Nasse Kol­lo­di­um­ver­fah­ren im Kon­text ei­ner Über­blicks­dar­stel­lung der Fo­to­tech­nik-Ge­schich­te des 19. Jahr­hun­derts er­läut­ert.
Vortragsfolie 1 zum Vortrag von Martin Frech: ›Das Nasse Kollodiumverfahren ; eine fotohistorische Verortung‹ (Foto: Martin Frech, 3/2014)
Vortragsfolie 1 zum Vortrag von Martin Frech: ›Das Nasse Kollodiumverfahren ; eine fotohistorische Verortung‹ (Foto: Martin Frech, 3/2014)

In mei­nem Vor­trag ordne ich das Nasse Kol­lo­di­um­ver­fah­ren in die Tech­nik­ge­schich­te der Fo­to­gra­fie ein. Da­zu werde ich die groben Linien der Fo­to­tech­nik-Ent­wick­lung (hier ohne Op­tik und Ap­pa­ra­te) bis zum En­de des 19. Jahr­hun­derts skiz­zie­ren und die we­sent­li­chen Ar­beits­schrit­te des Nass­plat­ten-Ver­fah­rens kurz er­klä­ren – Ste­fan Sappert wird es Ih­nen im An­schluss prak­tisch vor­füh­ren.

Vortragsfolie 2 zum Vortrag von Martin Frech: ›Camera Obscura‹ (Foto: Martin Frech, 3/2014)
Vortragsfolie 2 zum Vortrag von Martin Frech: ›Camera Obscura‹ (Foto: Martin Frech, 3/2014)

Die Fo­to­gra­fie wur­de nicht plötz­lich er­fun­den. Es war viel­mehr ei­ne Ent­wick­lung, die ab dem späten 18. Jahr­hun­dert von vielen Tüft­lern in­ter­na­ti­o­nal vo­ran­ge­trie­ben wur­de, oft wussten die­se nicht ein­mal von­ein­an­der.

Bei der Ent­wick­lung der Fo­to­gra­fie ging es da­rum, die Bil­der der Camera obs­cura au­to­ma­tisch und dau­er­haft fest­zu­hal­ten.

Die Camera obs­cura – auch Loch­ka­me­ra ge­nannt – ist ein licht­dich­ter Kas­ten mit ei­nem klei­nen Loch oder ei­ner Sam­mel­lin­se.
Die Um­ge­bung vor der Öff­nung der Camera wird durch das Loch auf die Rück­wand pro­ji­ziert.

Die Camera obs­cura ist schon lan­ge in Ge­brauch. Wahr­schein­lich kann­ten schon un­se­re Vor­fah­ren in der Alt­stein­zeit das Prin­zip; von Aris­to­te­les stammt die ers­te schrift­li­che Über­lie­fe­rung.
Künst­ler und Wis­sen­schaft­ler haben spä­tes­tens seit­her in­ten­siv mit der Loch­ka­me­ra ge­ar­bei­tet.
Der Nach­teil war, dass die ge­se­he­nen Bil­der eben nur ab­ge­zeich­net wer­den konn­ten.

Vortragsfolie 3 zum Vortrag von Martin Frech: ›Vorarbeiten‹ (Foto: Martin Frech, 3/2014)
Vortragsfolie 3 zum Vortrag von Martin Frech: ›Vorarbeiten‹ (Foto: Martin Frech, 3/2014)

Che­mi­ker haben im Laufe der Zeit viele licht­emp­find­li­che Sub­stan­zen ge­fun­den.

Den Ef­fekt der Strah­lungs­ener­gie ken­nen wir alle aus dem All­tag: un­ter Licht­ein­fluss ver­gilbt Pa­pier, Farben blei­chen aus oder Vi­ta­mi­ne zer­set­zen sich.

Wich­tig für die Fo­to­gra­fie ist das Sil­ber­nit­rat (und die damit her­ge­stel­lten Sil­ber­ha­lo­ge­nide). Sei­ne Licht­emp­find­lich­keit wur­de im 18. Jh. ent­deckt.

Von nun an ar­bei­te­ten viele Tüft­ler an der Er­fin­dung des­sen, was wir heu­te »Fo­to­gra­fie« nen­nen.

Thomas Wedg­wood ge­lan­gen noch im 18. Jahr­hun­dert ers­te Bil­der auf Sil­ber­ba­sis, die er je­doch nicht sta­bi­li­sie­ren/fi­xie­ren konn­te.
Das Fi­xie­ren der Bil­der war ein Haupt­pro­blem al­ler Foto-Pio­nie­re – ih­re Bil­der hiel­ten nicht lan­ge, wir ken­nen sie nur aus den schrift­li­chen Be­schrei­bung­en.
Ei­nen brauch­ba­ren Fi­xier­er fand erst Wil­liam Her­schel 1839.

Vortragsfolie 4 zum Vortrag von Martin Frech: ›Heliographie‹ (Foto: Martin Frech, 3/2014)
Vortragsfolie 4 zum Vortrag von Martin Frech: ›Heliographie‹ (Foto: Martin Frech, 3/2014)

Joseph Nicé­phore Niépce war der ers­te, dem ein dau­er­haf­tes Bild nach jah­re­lan­gen For­schun­gen ge­lang: 1826 fer­tig­te er mit dem Blick aus sei­nem Ar­beits­zim­mer die ers­te bis heu­te er­hal­te­ne Fo­to­gra­fie an.

Sein Ver­fah­ren – die He­lio­gra­fie – ba­sier­te al­ler­dings nicht auf Sil­ber.
Niépce ar­bei­te­te mit ei­ner as­phalt­be­schich­te­ten Me­tall­plat­te, die er stun­den­lang be­lich­ten mus­ste. Für Por­traits war das Ver­fah­ren da­her un­ge­eig­net. Für die Re­pro­tech­nik war es als Vor­läu­fer der Fo­to­gra­vü­re und Ur­ahn des Tief­drucks da­ge­gen weg­wei­send.

Vortragsfolie 5 zum Vortrag von Martin Frech: ›Daguerreotypie‹ (Foto: Martin Frech, 3/2014)
Vortragsfolie 5 zum Vortrag von Martin Frech: ›Daguerreotypie‹ (Foto: Martin Frech, 3/2014)

Zu der Zeit, als Niépce sei­nen For­schun­gen nach­ging, be­trieb Louis Da­guerre in Paris kom­mer­zi­ell er­folg­reich Dio­ra­men; große be­geh­ba­re Bil­der mit Licht- und Ton-Ef­fek­ten. Da­guerre war Ma­ler und ar­bei­te­te bei der Her­stel­lung sei­ner großen Bil­der auch mit der Camera obs­cura. Er forsch­te eben­falls an der Fo­to­gra­fie – al­ler­dings er­folg­los.

Da­guerre erfuhr von Niépce’ Ar­beit und tat sich 1829 mit ihm zu­sam­men. Sie setzten ei­nen ent­spre­chen­den Ver­trag auf, um ge­mein­sam ein all­tags­taug­li­ch­es fo­to­gra­fi­sches Ver­fah­ren zu ent­wick­eln. Das zog sich hin – letzt­lich er­geb­nis­los.

Niépce starb 1833. Spä­ter ent­wick­el­te Da­guerre er­folg­reich ein Ver­fah­ren, das al­ler­dings an­ders funk­tio­nie­rte als das sei­nes ehe­ma­li­gen Part­ners.

Ba­sis sei­ner Da­guer­reo­ty­pie ist ei­ne ver­sil­ber­ten Kup­fer­plat­te, die mit Jod, Brom und Chlor be­dampft wird. Da­durch wird sie für kurze Zeit licht­emp­find­lich und muss rasch be­lich­tet wer­den. Ent­wick­elt wird die Platte mit Queck­sil­ber­dampf, es ent­steht ein qua­si-po­si­ti­ves Uni­kat.

Die Da­guer­reo­ty­pie war das ers­te prak­ti­kab­le Fo­to­gra­fie­ver­fah­ren.

Die Rech­te am Ver­fah­ren wurden vom fran­zö­sisch­en Staat ge­kauft und 1839 kos­ten­los der Welt­öf­fent­lich­keit über­ge­ben (zu­nächst mit Aus­nah­me von Groß­bri­tan­nien). Des­halb fei­ern wir in diesem Jahr [2014] den 175. Ge­burts­tag der Fo­to­gra­fie.

Vortragsfolie 6 zum Vortrag von Martin Frech: ›Kalotypie‹ (Foto: Martin Frech, 3/2014)
Vortragsfolie 6 zum Vortrag von Martin Frech: ›Kalotypie‹ (Foto: Martin Frech, 3/2014)

Ein wei­ter­er Foto-Pi­o­nier war Wil­liam Tal­bot. Er war Mit­glied der Ro­yal So­ci­e­ty und ein pro­to­ty­pi­scher Uni­ver­sal­ge­lehr­ter sei­ner Zeit. Auch Tal­bot kam im frühen 19. Jahr­hun­dert durch die Camera obs­cura zur Fo­to­gra­fie. Als er mit sei­nen For­schun­gen be­gann, wuss­te Tal­bot we­der von Niépce noch von Da­guerre.

Tal­bot hat­te schon 1834, also vor Da­guerre, sein Ver­fah­ren aus­ge­ar­bei­tet – qua­si als Wei­te­rent­wick­lung von Wedg­woods 30 Jahre zu­vor ge­leis­te­ten Ar­bei­ten, die er auch aus­drück­lich an­er­kann­te. Tal­bot nan­nte sein Ver­fah­ren »fo­to­ge­ni­sche Zeich­nung«, man kennt es auch als »Salz­druck«.
Das war der Vor­läu­fer sei­ner 1941 vor­ge­stell­ten Ka­lo­ty­pie.

Tal­bot ar­bei­te­te mit Pa­pier als Schicht­trä­ger. Das Pa­pier mach­te er mit Sil­ber­chlo­rid licht­emp­find­lich und be­lich­te­te die­ses in der Ka­me­ra zum Ne­ga­tiv.
Von diesem Ne­ga­tiv konn­ten spä­ter durch Um­ko­pie­ren auf das glei­che Pa­pier oder auf sein äl­te­res Salz­pa­pier be­lie­big viele Po­si­ti­ve her­ge­stellt wer­den.

Ob­wohl er das noch nicht so nan­nte, hat­te Tal­bot damit den Ne­ga­tiv-Po­si­tiv-Pro­zess ent­wick­elt, der in der nicht­elek­tro­ni­schen Fo­to­gra­fie ja bis heu­te ge­nutzt wird.

Tal­bots und Da­guerres Ver­fah­ren sind sehr ver­schie­den. Bei­de hatten Vor- und Nach­tei­le und bei­de waren bis zur Er­fin­dung des Nassen Kol­lo­di­um­ver­fah­rens in Ge­brauch.

Da­guer­reo­ty­pien waren qua­li­ta­tiv hoch­wer­tig und de­tail­reich, man konn­te sie je­doch nicht ver­viel­fäl­ti­gen; jede Da­guer­reo­ty­pie ist ein Uni­kat.

Ka­lo­ty­pien waren güns­ti­ger her­zu­stel­len als Da­guer­reo­ty­pien und konn­ten ver­viel­fäl­tigt wer­den. Sie waren je­doch weniger bril­lant und bei weitem nicht so de­tail­reich, da beim Ver­viel­fäl­ti­gen die Pa­pier­struk­tur des Ne­ga­tivs mit­ko­piert wur­de.

Tal­bot erfuhr 1839 von Da­guerres Er­folg, al­ler­dings noch ohne die De­tails zu ken­nen. Er hat­te so­fort die Be­fürch­tung, dass Da­guerres Me­tho­de die glei­che wä­re wie sei­ne und setz­te al­les da­ran, die Fran­zo­sen zu über­zeu­gen, er sei der Er­fin­der der Fo­to­gra­fie; Niépce kann­te er ja noch nicht. Es klärte sich bald, dass Tal­bots und Da­guerres Ver­fah­ren sehr ver­schie­den waren. Bei­de hatten Vor- und Nach­tei­le und bei­de waren bis zur Er­fin­dung des Nassen Kol­lo­di­um­ver­fah­rens in Ge­brauch.

Vortragsfolie 2 zum Vortrag von Martin Frech: ›Nasses Kollodiumverfahren‹ (Foto: Martin Frech, 3/2014)
Vortragsfolie 2 zum Vortrag von Martin Frech: ›Nasses Kollodiumverfahren‹ (Foto: Martin Frech, 3/2014)

Ge­fragt war also ein Ver­fah­ren, das die Vor­tei­le von Da­guer­reo­ty­pien und Ka­lo­ty­pien ver­ein­te.
Es lag nahe, ei­ne Glas­plat­te als Schicht­trä­ger zu ver­wen­den.

Schon ab 1847 waren ent­spre­chen­de Al­bu­min­plat­ten be­kannt, sie waren je­doch nur we­nig licht­emp­find­lich.

Es war Fre­de­rick Scott Archer, der 1851 he­raus­fand, dass sich Kol­lo­di­um gut als Schicht für die licht­emp­find­li­chen Sil­ber­salze eignet.

Der Er­folg war durch­schla­gend: in kur­zer Zeit löste das neue Ver­fah­ren so­wohl die Da­guer­reo­ty­pie als auch die Ka­lo­ty­pie ab.
Es war nun für etwa 30 Jahre das fo­to­gra­fi­sche Stan­dard­ver­fah­ren.

Vortragsfolie 8 zum Vortrag von Martin Frech: ›Nasses Kollodiumverfahren‹ (Foto: Martin Frech, 3/2014)
Vortragsfolie 8 zum Vortrag von Martin Frech: ›Nasses Kollodiumverfahren‹ (Foto: Martin Frech, 3/2014)

Kol­lo­di­um ist ei­ne zä­he Flüs­sig­keit, die ent­steht, wenn man Baum­wol­le in Sal­pe­ter­säu­re, Al­ko­hol und Ether auf­löst.

Das Prin­zip des Nassen Kol­lo­di­um­ver­fah­rens ist ein­fach: In das Kol­lo­di­um wer­den Salze ein­ge­mischt, die spä­ter die licht­emp­find­li­chen Sil­ber­ha­lo­ge­nide bil­den.
Die­se Mi­schung wird auf ei­ne Platte auf­ge­bracht.

Vortragsfolie 9 zum Vortrag von Martin Frech: ›Nasses Kollodiumverfahren‹ (Foto: Martin Frech, 3/2014)
Vortragsfolie 9 zum Vortrag von Martin Frech: ›Nasses Kollodiumverfahren‹ (Foto: Martin Frech, 3/2014)

Be­vor die Schicht tro­cken ist, wird sie im Dun­keln in Sil­ber­nit­rat ge­taucht.
Nach ei­ni­gen Mi­nu­ten ist die Schicht licht­emp­find­lich und wird feucht in den Plat­ten­hal­ter der Ka­me­ra ein­ge­setzt.
Nun muss zü­gig fo­to­gra­fiert wer­den, be­vor die Platte zu tro­cken und damit un­emp­find­li­cher wird.

Vortragsfolie 10 zum Vortrag von Martin Frech: ›Nasses Kollodiumverfahren‹ (Foto: Martin Frech, 3/2014)
Vortragsfolie 10 zum Vortrag von Martin Frech: ›Nasses Kollodiumverfahren‹ (Foto: Martin Frech, 3/2014)

Die noch feuch­te, aber be­lich­te­te Platte wird zeit­nah ent­wick­elt.

Nach dem Ent­wick­eln kann es ge­müt­lich wei­ter­ge­hen: die Platte wird fi­xiert und ge­wäs­sert.
Ist sie tro­cken, wird die Platte üb­li­cher­wei­se mit ei­ner Schutz­schicht ver­sie­gelt.

Vortragsfolie 11 zum Vortrag von Martin Frech: ›Nasses Kollodiumverfahren‹ (Foto: Martin Frech, 3/2014)
Vortragsfolie 11 zum Vortrag von Martin Frech: ›Nasses Kollodiumverfahren‹ (Foto: Martin Frech, 3/2014)

Vom Nassen Kol­lo­di­um­ver­fah­ren gibt es meh­re­re Va­ri­an­ten. Die­se un­ter­schei­den sich im we­sent­li­chen durch die Art des Trägers, das Ver­fah­ren ist in allen Fäl­len iden­tisch.

So­weit ich weiß, be­lich­tet Ste­fan Sappert aus­schließ­lich Am­bro­ty­pien und Fer­ro­ty­pien.

Vortragsfolie 12 zum Vortrag von Martin Frech: ›Nasses Kollodiumverfahren‹ (Foto: Martin Frech, 3/2014)
Vortragsfolie 12 zum Vortrag von Martin Frech: ›Nasses Kollodiumverfahren‹ (Foto: Martin Frech, 3/2014)

Die Nass­plat­ten-Fo­to­gra­fie hat al­ler­dings prak­ti­sche Nach­tei­le: vor allem die lan­gen Be­lich­tungs­zeiten und das Ge­wicht der Aus­rüs­tung: Der Fo­to­graf muss ja zu­sätz­lich zur Ka­me­ra-Aus­rüs­tung noch die kom­plet­te Dun­kel­kam­mer mit­schlep­pen.

Auch bei viel Licht liegen die Be­lich­tungs­zeiten im Be­reich meh­re­rer Se­kun­den; schar­fe Auf­nah­men be­weg­ter Mo­ti­ve sind also nicht mög­lich. Ganz zu schwei­gen von dem Vor­be­rei­tungs­auf­wand je­der ein­zel­nen Auf­nah­me.

Da­her wur­de da­mals viel im Stu­dio ge­ar­bei­tet.
Ei­ni­ge Fo­to­gra­fen haben je­doch ei­nen im­mens­en Auf­wand be­trie­ben und waren mit meh­re­ren hun­dert Ki­lo­gramm schwe­ren Aus­rüs­tung­en un­ter­wegs: bei­spiels­wei­se die Ge­brü­der Bisson, die im Mont-Blanc-Mas­siv die ersten Hoch­ge­birgs­fo­to­gra­fien an­fer­tig­ten, Matthew Brady, der den ame­ri­ka­ni­schen Bür­ger­krieg fo­to­gra­fier­te oder Ro­ger Fenton, der den Krim­krieg do­ku­men­tier­te.

Den­noch: Die Ära des Nassen Kol­lo­di­um­ver­fah­rens endete ab­rupt auf Grund der er­wähn­ten Nach­tei­le, als um 1880 ma­schi­nell her­ge­stel­lte Tro­cken­plat­ten und spä­ter die Roll­filme er­hält­lich waren.

Aber wa­rum ar­bei­tet dann bei­spiels­wei­se Ste­fan Sappert heut­zu­ta­ge mit diesem alten Ver­fah­ren? Um das zu er­klä­ren, muss ich zum Schluss noch zu ei­nem Zeit­sprung an­set­zen.

Vortragsfolie 13 zum Vortrag von Martin Frech: ›100 Jahre später: Alternative Fotografie‹ (Foto: Martin Frech, 3/2014)
Vortragsfolie 13 zum Vortrag von Martin Frech: ›100 Jahre später: Alternative Fotografie‹ (Foto: Martin Frech, 3/2014)

Ich über­springe jetzt das 20. Jahr­hun­dert, also die Industriali­sierung der Fo­to­gra­fie in­klu­si­ve der Ent­wick­lung der Farb­fo­to­gra­fie.

Denn 100 Jahre nach Be­ginn der Foto-Industriali­sierung ge­schah ab den 1990er-Jahren et­was er­staun­li­ches:
Mit dem Be­ginn der Di­gi­ta­li­sie­rung der Fo­to­gra­fie – die ja ei­ne voll­stän­di­ge Au­to­ma­ti­sie­rung der Bild­er­zeu­gung be­deu­tet – be­sann­en sich ein­zel­ne Fo­to­gra­fen ab den 1990er-Jahren auf die An­fän­ge ihres Me­di­ums.

Wich­ti­ge Na­men in diesem Zu­sam­men­hang sind France Scul­ly und Mark Oster­man, die viel Auf­bau­ar­beit ge­leis­tet haben.
In­ter­na­ti­o­nal an­er­kann­te Fo­to­künst­ler wie Sal­ly Mann – die das Ver­fah­ren von den Oster­mans lernte – und De­bo­rah Lus­ter rea­li­sier­ten in den 1990er-Jahren Auf­se­hen er­re­gen­de Ar­bei­ten mit dem Nass­plat­ten-Pro­zess.

Schwarzweißbild: Ein Glasplatten-Negativ (Ambrotypie) mit dem Portrait eines Mannes steht kurz nach der Entwicklung neben dem Trockengestell. (Alle drei Fotos: Martin Frech, 2011)
Schwarzweißbild: Ein Glasplatten-Negativ (Ambrotypie) mit dem Portrait eines Mannes steht kurz nach der Entwicklung neben dem Trockengestell. (Alle drei Fotos: Martin Frech, 2011)

Die­se For­scher und Fo­to­gra­fen be­för­der­ten ei­ne Re­nais­sance der frühen fo­to­gra­fi­schen Ver­fah­ren aus dem 19. Jahr­hun­dert.
Da­bei ging es nicht nur um das Nass­plat­ten-Ver­fah­ren, auch Da­guer­reo­ty­pien und Ka­lo­ty­pien so­wie die ganze Pa­let­te der Edel­druck­ver­fah­ren wurden wie­der ent­deckt und ver­mehrt prak­ti­ziert.

In der Fol­ge be­gann­en Fo­to­gra­fen welt­weit, mit diesen fast aus­ge­stor­be­nen Tech­ni­ken zu ar­bei­ten. Es ent­stand ei­ne Be­we­gung, die un­ter dem Be­griff »Al­ter­na­ti­ve Fo­to­gra­fie« zu­sam­men­ge­fasst wird. Im Ge­gen­satz zu frü­he­ren Foto-Be­we­gun­gen gibt es hier al­ler­dings kei­ne Grün­dungs­per­son und kein Ma­ni­fest.

Ver­bin­den­des Ele­ment ist – wie das der Name an­deu­tet – ei­ne Ge­gen­po­si­ti­on zur stan­dar­di­sier­ten Fo­to­in­dus­trie; also ei­ne Art Un­ab­hän­gig­keits­er­klä­rung jedes ein­zel­nen Fo­to­gra­fen.


Fußnoten.
ahttps://www.medienfrech.de/foto/NzF/2011-11-27_Martin-Frech_Keliy-Anderson-Staley-hyphen-AMERICANS.html
bhttps://www.medienfrech.de/foto/NzF/2014-05-17_Martin-Frech_Die-Phase-des-Pictorialismus-in-der-Geschichte-der-Fotografie.html

Li­te­ra­tur:

The­ma­tisch pas­sen­der Text auf NzF:
⁠ ⁠Keliy Ander­son-Staley: »[hy­phen] AMER­I­CANS«a

Weiterlesen: ⁠ ⁠Die Pha­se des Pic­to­ri­a­lis­mus in der Ge­schich­te der Fo­to­gra­fieb

Zitierempfehlung (.BibTeX, .txt):
Frech, Martin: »Das Nasse Kol­lo­di­um­ver­fah­ren – ei­ne fo­to­his­to­ri­sche Verortung«. In: Notizen zur Fotografie, 2014-03-17. Online: https://www.medienfrech.de/foto/NzF/2014-03-17_Martin-Frech_Das-nasse-Kollodiumverfahren-eine-fotohistorische-Verortung.html
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Frech, Martin: »Das Nasse Kol­lo­di­um­ver­fah­ren – ei­ne fo­to­his­to­ri­sche Verortung«. In: Notizen zur Fotografie, 2014-03-17. Online: https://www.medienfrech.de/foto/NzF/2014-03-17_Martin-Frech_Das-nasse-Kollodiumverfahren-eine-fotohistorische-Verortung.html$1