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Das Auto­chrome-Ver­fah­ren für die Farb­fo­to­gra­fie

Martin Frech

Mit dem Au­to­chrome-Ver­fah­ren war es im frühen 20. Jahr­hun­dert erst­mals mög­lich, ein Farb­fo­to mit nur ei­ner Auf­nah­me an­zu­fer­ti­gen. Die Brüder Au­gus­te und Louis Lumière er­fan­den das Ver­fah­ren – sie be­ka­men 1903 ein ent­spre­chen­des Pa­tent. Ver­mark­tet wur­de es ab 1907. Bis Mit­te der 1930-Jahre war Au­to­chrome die üb­li­che Tech­nik zur Farb­fo­to­gra­fie. Au­to­chrome-Plat­ten waren in For­ma­ten von 4,5 × 6 cm bis 18 × 24 cm lie­fer­bar; das Ma­te­ri­al war etwa drei­mal teurer als Schwarz­weiß­plat­ten.

Au­to­chrome-Plat­ten wurden her­ge­stellt, in­dem auf ei­ne Glas­plat­te zu­nächst ei­ne sehr dünne Schicht far­bi­ger Kar­tof­fel­stär­ke auf­ge­pres­st wur­de. Die Stär­ke war mit Ani­lin-Farben in un­ter­schied­lich­en An­tei­len Zin­no­ber­rot, Gelb­grün und Ultra­marin­blau an­ge­färbt. (Dass nicht reines Rot, Grün und Blau ver­wen­den wurden hat­te mit An­pas­sun­gen an die Sen­si­bi­li­sie­rung der Schwarz­weiß-Schicht zu tun.) Zwi­schen den Stär­ke-Körn­chen ent­stan­den Lücken, die mit Holz­koh­le-Staub ge­schlos­sen wurden. Die­se Stär­ke-Koh­le-Schicht wur­de mit ei­nem Fir­nis ver­sie­gelt, der gleich­zeitig die ei­gent­lich un­durch­sich­ti­gen Stär­ke­körn­chen trans­pa­rent mach­te. Da­rauf wur­de ei­ne her­kömm­li­che pan­chro­ma­ti­sche Sil­ber­bro­mid-Schwarz­weiß-Emul­si­on ge­gos­sen.

Im Ge­gen­satz zu her­kömm­li­chen Schwarz­weiß-Plat­ten wurden die Au­to­chrome-Plat­ten in der Ka­me­ra »von hin­ten« durch das Glas be­lich­tet. So wirkte die ein­ge­färb­te Stär­ke-Schicht vor der Emul­si­on wie ein Rot-Grün-Blau-Licht­fil­ter und die Schwarz­weiß-Schicht wur­de ent­spre­chend der Farb-An­tei­le des auf­tref­fen­den Lichts be­lich­tet.

Da die Schwarz­weiß-Emul­si­on über­sen­si­bel für kurz­wel­liges Licht war, mus­ste für ein ton­wert- und farb­rich­tiges Bild zu­sätz­lich ein gelb-oranger Fil­ter vor dem Ob­jek­tiv ver­wen­det wer­den. Damit wur­de UV-Licht blo­ckiert und blaues Licht ab­ge­schwächt. Durch die beiden Licht­fil­ter war die Au­to­chrome-Platte etwa 60-mal un­emp­find­li­cher als die reine Schwarz­weiß-Platte; Mo­ment­auf­nah­men waren nicht mög­lich. Aber im­mer­hin: Bei sehr gut be­leuch­te­ten Mo­ti­ven konn­te man 1/10 s Be­lich­tungs­zeit er­rei­chen, üb­lich waren bei Au­ßen­auf­nah­men meh­re­re Se­kun­den.

Nach der Auf­nah­me wur­de die Emul­si­on zum Schwarz­weiß-Dia um­kehr­ent­wickelt, die Kar­tof­fel­stär­ke-Filter­schicht blieb er­hal­ten. Die Platte – ein Dia – wur­de ab­schlie­ßend la­ckiert und zwi­schen Schutz­gläser ein­ge­fasst.

Wird ei­ne Au­to­chrome-Platte mit viel Licht in der Durch­sicht be­trach­tet oder pro­ji­ziert, wirkt die Sil­ber­schicht als Hel­lig­keits­fil­ter, der mehr oder weniger Licht durch die als Korn­ras­ter wir­ken­de Kar­tof­fel­stär­ke-Filter­schicht lässt – ent­spre­chend den Farb­ver­hält­nis­sen bei der Auf­nah­me. Bei nor­ma­lem Be­trach­tungs­ab­stand sieht das Au­ge ein Farb­bild – das funk­tio­niert ähn­lich wie die Farb­er­zeu­gung beim Farb­mo­ni­tor.

Die ab 1916 auf den Markt ge­kom­me­ne Agfa-Far­ben­platte funk­tio­nie­rte ver­gleich­bar, war je­doch naht­los mit rei­nen Farb­pig­men­ten be­schich­tet. Im Ge­gen­satz zur Au­to­chrome-Platte mit ih­rer Koh­le-Stär­ke-Filter­schicht war die Agfa-Platte hel­ler und licht­emp­find­li­ch­er; auch die Farb­wieder­gabe war bes­ser.
Als ab den 1930er-Jahren Agfa­color und Koda­chrome ver­füg­bar waren, war die Au­to­chrome-Ära vor­bei.

Au­to­chrome-Dias wurden sei­ner­zeit mit ei­nem den Dia-Guckis ähn­li­chen Dia­skop gegen Ta­ges­licht an­ge­schaut. Pro­jek­to­ren waren weniger ver­bre­itet, die Hit­ze der Lampe konn­te schnell die Schich­ten zer­stö­ren.

Au­to­chrome-Plat­ten heu­te zu be­trach­ten, zu pro­ji­zie­ren oder zu re­pro­du­zie­ren ist ei­ne kom­pli­zier­te An­ge­le­gen­heit. Die­se ein­fach auf den Leucht­tisch zu le­gen, ist un­be­frie­di­gend: Da des­sen Licht sehr dif­fus ist, wir­ken die Farben sehr ent­sät­tigt. Au­ßer­dem sind die Lumière’schen Filter­farben für ein Ta­ges­licht­spek­trum opt­miert – künst­li­ches Licht, und erst recht solches mit ei­nem dis­kon­ti­nu­ier­li­chen Spek­trum, ver­fälscht die Farb­wider­ga­be deut­lich.

Die Re­pro­duk­tion der aus Zin­no­ber­rot, Gelb­grün und Ultra­marin­blau zu­sam­men­ge­setzten Farb­bil­der mit ei­nem mo­der­nen Sys­tem, das mit Rot- Grün- und Blau­filtern ar­bei­tet, birgt zu­sätz­li­che Feh­ler­quel­len.

Wich­tig ist da­her ei­ne sorg­fäl­ti­ge Farb­kor­rek­tur der Di­gi­ta­li­sa­te. Die­se ist nur mög­lich, wenn die ori­gi­na­le Au­to­chrome-Platte kor­rekt durch­leuch­tet (bspw. durch ei­nen Kon­den­sor mit ei­nem ta­ges­licht-ähn­li­chen Licht) zum Ver­gleich vor­liegt.

Lit.:

Zitierempfehlung (.BibTeX, .txt):
Frech, Martin: »Das Auto­chrome-Ver­fah­ren für die Farb­fo­to­gra­fie«. In: Notizen zur Fotografie, 2013-10-28. Online: https://www.medienfrech.de/foto/NzF/2013-10-28_Martin-Frech_Das-Autochrome-Verfahren-fuer-die-Farbfotografie.html
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