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Film­ma­te­ri­al: Die Ma­te­rial­fra­ge des Dia-Fo­to­gra­fen

Martin Frech

Ole, ein Le­ser mei­nes blogs, hat mich auf ein In­ter­view mit Man­fred Hamm auf­merk­sam ge­macht, das auf Spie­gel On­line ver­öf­fent­licht wur­de.⁠ [1] An­lass für Hil­mar Schmunds Fra­gen war die Er­öff­nung ei­ner Aus­stel­lung von Hamms Kon­zert­haus-Fotos in ei­nem Kon­gress-Zen­trum in Mann­heim.

Als Foto-Pi­o­nier wür­de ich Man­fred Hamm (geb. 1944) nicht be­zeich­nen. Mir ist er vor allem als Ma­schi­nen- und Ar­chi­tek­tur­fo­to­graf ein Be­griff. Sei­ne Bücher To­te Tech­nik (1981) und Ster­ben­de Ze­chen (1983) waren un­ter den ersten Fo­to­bü­cher, die ich mir ge­kauft habe. Hamm ist be­ken­nen­der Groß­for­mat-Fo­to­graf, er ar­bei­tet far­big und schwarz­weiß – je­doch nur auf Film. Bild­bei­spie­le fin­den Sie auf sei­nen Web-Sei­ten.⁠ [2]

Im In­ter­view outet sich Man­fred Hamm als Dia-Fo­to­graf, der für Farb­fo­tos aus­schließ­lich mit den schon seit län­ge­rem nicht mehr er­hält­lich­en Ko­dak-Ek­ta­chrome-Ma­te­ri­alien EPD und EPY ar­bei­tet; fast schon ein kon­zep­tu­el­ler An­satz. Hamms tief­ge­fro­re­ne Vor­rä­te sind nun bei­na­he auf­ge­braucht und Ko­dak pro­du­ziert kei­ne Dia­fil­me mehr. Im In­ter­view gibt Hamm das als Grund an, mit der (Farb-)Fo­to­gra­fie auf­zu­hö­ren.
Jetzt würden mich De­tails in­te­res­sie­ren, doch da­für ist Spie­gel On­line na­tür­lich das fal­sche Fo­rum.

Mein erster Re­flex war die Fra­ge, wa­rum er nicht sein Kon­zept än­dert und auf ein an­de­res Ma­te­ri­al um­steigt. Im­mer­hin gibt es mit Fujis RDP III noch ein letz­tes im 8 × 10-For­mat liefer­ba­res Dia-Ma­te­ri­al; auch ein Wech­sel auf Farb­ne­ga­tiv-Film wä­re denk­bar. Es ist also mög­lich, sich ei­ne Tief­kühl­tru­he an­zu­schaf­fen und ge­nü­gend fri­schen Farb­film für spätere Pro­jek­te ein­zu­la­gern.

Doch das Auf­nah­me­ma­te­ri­al ist nur ein As­pekt der ana­lo­gen Fo­to­gra­fie. Der Film muss ja auch ent­wick­elt wer­den und Fach­la­bo­re schrän­ken ih­re ent­spre­chen­den Analog-Ser­vices zu­neh­mend ein. Gut, so­wohl E-6 als auch C-41 kann man im ei­ge­nen La­bor ent­wick­eln. Doch zum ei­nen müs­sen die auf dem Ge­braucht-Markt zwar er­hält­lich­en aber ält­li­chen Ma­schi­nen re­gel­mäßig ge­war­tet wer­den – was auch nicht ein­fach­er wird. Zum an­de­ren ist die Prog­no­se schwie­rig, wie lan­ge die Che­mie (v⁠.⁠ ⁠a⁠. für E6) noch lie­fer­bar sein wird.

Zur Zeit ist die Film-Ent­wick­lung also noch zu or­ga­ni­sie­ren. Aber dann? Wie wird aus dem Dia ein Print? Die ILFORD Im­ag­ing Swit­zer­land GmbH hat die Pro­duk­tion der Ilfo­chrome-Ma­te­ri­alien ein­ge­stel­lt. Die we­ni­gen Labore, die über­haupt noch Dia-Ver­grö­ße­rung­en an­bie­ten, kön­nen also nur noch kurze Zeit mit den Rest­be­stän­den ar­bei­ten. Klas­si­sche Color-Ver­grö­ße­rung­en vom Ne­ga­tiv wird man wohl noch et­was län­ger be­kom­men kön­nen; in aus­ge­such­ten La­bo­ren. Wer sei­ne Dias nicht als hin­ter­leuchtete Ori­gi­na­le prä­sen­tie­ren will (oder bei klei­ne­ren For­ma­ten na­tür­lich in der Pro­jek­tion), dem bleibt da­her nur der hy­bri­de Weg: digi­tali­sieren und aus­be­lich­ten oder tinten­drucken.

Ich weiß lei­der nicht, wie Man­fred Hamm da­rü­ber denkt – zumal er wohl eher für Bücher ar­bei­tet und mit­hin sei­ne Fotos pri­mär für die Aus­wer­tung via Re­pro­duk­tion an­fer­tigt. Und ich weiß auch nicht, wie die Prints für sei­ne ak­tu­elle Aus­stel­lung ent­stan­den sind.

Ich kann je­doch gut ver­ste­hen, wenn je­mand, der die Mög­lich­keiten des Hand­werks und die vi­su­el­le Kraft der sau­ber aus­ge­ar­bei­te­ten hand­ver­grö­ßer­ten Uni­kate kennt, den hy­bri­den Weg nicht ge­hen will. Und ich habe Res­pekt vor der künst­le­ri­schen Ent­schei­dung, auf Grund der Ma­te­ri­al-Si­tu­a­ti­on ein­fach nicht mehr far­big zu fo­to­gra­fie­ren.

Ein Hamm-ba­shing à la alter Mann kann nicht mehr mit der Zeit ge­hen, wie es ak­tu­ell durchs Web schwappt, finde ich da­ge­gen res­pekt­los und un­an­ge­mes­sen.

the­ma­tisch pas­sen­der Text auf NzF: ⁠ ⁠Ge­dan­ken zum Markt für Schwarz­weiß­filma


Fußnoten.
1Foto-Pi­o­nier Man­fred Hamm: »Di­gi­tal ist doch al­les ei­ne So­ße«. On­line ver­füg­bar: ⁠ ⁠spiegel.de/kultur/gesellschaft/fotograf-manfred-hamm-ueber-konzerthaeuser-und-digitale-fotos-a-837546.html [2012-07-04]
2Man­fred Hamm Pho­tog­ra­phy. On­line ver­füg­bar: ⁠ ⁠www.hamm-pho­to­gra­phie.com/index.html [2012-07-04; 2020-05-03]
ahttps://www.medienfrech.de/foto/NzF/2008-03-23_Martin-Frech_Gedanken-zum-Markt-fuer-Schwarzweiszfilm.html
bhttps://www.medienfrech.de/foto/NzF/2014-09-29_Martin-Frech_Worin-besteht-die-Relevanz-emulsionsbasierten-Fotografierens.html
chttps://www.medienfrech.de/foto/NzF/2017-02-05_Martin-Frech_Anmerkungen-zu-Mike-Crawfords-Projekt-Obsolete-and-Discontinued.html

Weiterlesen: ⁠ ⁠Wo­rin be­steht die Re­le­vanz emul­si­ons­ba­sier­ten Fo­to­gra­fierens?b, ⁠ ⁠An­mer­kun­gen zu Mike Craw­fords Pro­jekt »Ob­so­lete and Discon­tinued«c

Zitierempfehlung (.BibTeX, .txt):
Frech, Martin: »Film­ma­te­ri­al: Die Ma­te­rial­fra­ge des Dia-Fo­to­gra­fen«. In: Notizen zur Fotografie, 2012-07-04. Online: https://www.medienfrech.de/foto/NzF/2012-07-04_Martin-Frech_Die-Materialfrage-des-Dia-Fotografen.html
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