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Wil­liam Eugene Smith – ein James Joyce der Fo­to­gra­fie

Martin Frech

Wil­liam Eugene Smith (1918–1978) war ei­ner der großen Bild­jour­na­lis­ten in der Blü­te­zeit des Genres ab den 1940er-Jahren. Er hat mit sei­nen en­ga­gier­ten Serien Meilen­steine ge­setzt und gilt als Pi­o­nier des Foto-Essays.

Smith wird be­schrie­ben als ein von sei­nem Tun Be­ses­se­ner mit ex­tre­men An­sprü­chen an die Qua­li­tät sei­ner Ar­beit, vol­ler Kör­per­ein­satz war für ihn selbst­ver­ständ­lich.

Klar, dass Ter­mi­ne für ihn re­gel­mäßig zum Prob­lem wurden (und das in diesem Ge­schäft!). Was ihm je­doch mehr zu schaf­fen mach­te, waren die re­dak­ti­o­nel­len Ein­grif­fe in sei­ne Bild­aus­wahl und sei­ne Texte, die er als An­ge­stell­ter bei der Zeit­schrift Life ab­lie­fer­te. Die Mit­glied­schaft bei Ma­gnum half im dies­be­züg­lich auch nicht wei­ter.

Nach den Tren­nung­en von Life 1955 und von Ma­gnum 1958 fehlte ihm je­doch of­fen­bar das ak­qui­si­ta­to­ri­sche Ge­schick und er schaff­te es nicht, sei­ne mit Lei­den­schaft pro­du­zier­ten Ge­samt­kunst­werke ad­äquat zu ver­mark­ten.

Für sei­nen Es­say über die Stadt Pitts­burgh hat er ab 1955 (je nach Quel­le) 13.000 oder 17.000 Auf­nah­men ge­macht, da­von etwa 2.000 als kleine Ar­beits­ab­zü­ge ver­grö­ßert und über 600 im großen For­mat, da­zu Lay­outs ent­wor­fen und Texte ge­schrieben. Nach vier Jahren gab er auf, das Frag­ment ge­blie­be­ne Werk wur­de nie ver­öf­fent­licht.

Ein Frus­tra­tions­er­leb­nis eben­so wie da­rauf das Schei­tern des au­to­bio­gra­phi­schen Groß­pro­jekts The Walk to Par­a­dise Gar­den.

Erst in den 1970er-Jahren fand er in ei­nem letz­ten Auf­bäu­men zur alten Form zu­rück und re­a­li­sier­te mit sei­ner Frau den Es­say Mina­mata. Streng auf der Sei­te der Op­fer des Skan­dals trägt die­se an­klage­jour­na­lis­ti­sche Ar­beit deut­lich Zü­ge ei­ner Kam­pag­ne. Smith hat die Welt­öf­fent­lich­keit damit grund­le­gend für die Um­welt-The­ma­tik sen­si­bi­li­siert.

Ei­ne Aus­stel­lung in Ber­lin wirft ein Schlag­licht auf Le­ben und Werk von Wil­liam Eugene Smith. Ge­zeigt wer­den Bil­der aus den sechs großen Essays Land­arzt (1948), Spa­ni­sches Dorf (1950), Heb­am­me (1951), Al­bert Schweit­zer (1954), Pitts­burgh (1955) und Mina­mata (1971–1973). Der letz­te Raum ist mit »Ver­schie­de­nes« be­ti­telt. Hier ist un­ter an­der­em das Bild sei­ner beiden Kinder Der Weg ins Pa­ra­dies von 1946 zu se­hen, mit dem schon Ed­ward Stei­chen sei­ne Aus­stel­lung »The Fam­i­ly of Man« be­schloss (⁠ ⁠auf »Iconic Photos« wur­de das Bild kürz­lich [am 1. Ok­to­ber 2011] schön groß ge­pos­teta).

Smith war ein Meis­ter in der Dun­kel­kam­mer, der sei­ne Ab­zü­ge akri­bisch aus­ar­bei­te­te. Mir ist lei­der nicht klar, ob in der Aus­stel­lung Prints hängen, die Smith selbst ver­grö­ßert hat, oder ob spe­ziell an­ge­fer­tigte Aus­stel­lungs­prints ge­zeigt wer­den. Se­hens­wert ist die Schau auf jeden Fall.

W. Eugene Smith – Fo­to­gra­fien. Ei­ne Re­tro­spek­ti­ve.
25. Sep­tem­ber bis 27. No­vem­ber 2011
Mar­tin-Gro­pi­us-Bau, Ber­lin

Der an­sprech­end ge­stal­te­te, sehr in­for­ma­ti­ve und wirk­lich emp­feh­lens­wer­te Ka­ta­log ist bei Kehrer er­schie­nen.


Fußnoten.
ahttp://iconicphotos.wordpress.com/2011/10/01/a-walk-to-the-paradise-garden/
bhttps://www.medienfrech.de/foto/NzF/2014-11-10_Martin-Frech_Unbeugsam-und-ungebaendigt-Dokumentarische-Fotografie-um-1979-Museum-Ludwig-Koeln-Ausstellung.html

Weiterlesen: ⁠ ⁠»Un­beug­sam und un­ge­bän­digt: Do­ku­men­ta­ri­sche Fo­to­gra­fie um 1979«, Mu­se­um Lud­wig, Köln (Aus­stel­lung)b

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Frech, Martin: »Wil­liam Eugene Smith – ein James Joyce der Fo­to­gra­fie«. In: Notizen zur Fotografie, 2011-10-04. Online: https://www.medienfrech.de/foto/NzF/2011-10-04_Martin-Frech_William-Eugene-Smith-ein-James-Joyce-der-Fotografie.html
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