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Film­ent­wick­lung in Kaf­fee

Martin Frech

Spä­tes­tens seit 1995 ist be­kannt, dass Kaf­fee sil­ber­ha­lo­ge­nid­hal­ti­ge Schich­ten ent­wick­eln kann ⁠1. In ein­schlä­gi­gen Dis­kus­si­ons­fo­ren fin­den sich seit­her diverse lan­ge Threads zu diesem The­ma, vereinzelt mit Bild­bei­spie­len.

Immer an ku­ri­os­en Rand­ge­bie­ten in­te­r­es­siert, habe nun auch ich mei­nen ersten Film mit Kaf­fee ent­wick­elt – und um es vor­weg­zu­neh­men: es wird nicht der letzte ge­we­sen sein.

1. Testaufbau

Für den Versuch habe ich zwei Rollen Ilford FP4 plus be­lich­tet (Be­lich­tungs­reihen mit und ohne Test­ta­feln): Eine zur Ent­wick­lung in Kaffe, die andere zum Ver­gleich in Agfa Rodinal.

Stilleben mit Entwicklungsdose, Meßbecher, Mensur, einem Glas mit Instant-Kaffepulver, einem Beutel Waschsoda und einer Rolle Vitamin-C-Tabeletten sowie einem belichteten Rollfilm (Farbbild) (Foto: Martin Frech, 9/2007)
Zubehör für die Film­ent­wick­lung mit Kaf­fee (Caffe­nol)
(Foto: Mar­tin Frech, 9/2007)
Stilleben mit Entwicklungsdose, Meßbecher, Mensur, einem Glas mit Instant-Kaffepulver, einem Beutel Waschsoda und einer Rolle Vitamin-C-Tabeletten sowie einem belichteten Rollfilm (Farbbild) (Foto: Martin Frech, 9/2007)

Das Rezept für den Kaf­fee-Ent­wick­ler – Ein­mal­ent­wick­ler nach den Angaben für Caffe­nol bei digital­truth ⁠2 – ist sim­pel:

Wirksam für die Ent­wick­lung ist im Kaf­fee nicht das Koffein, sondern die Kaf­fee­säu­re. Ein Blick auf deren Struk­tur­for­mel of­fen­bart sofort Ähn­lich­keit­en mit Brenz­cate­chin, der alt­be­kan­nten Ent­wick­ler­sub­stanz. ⁠3
Das Soda wird benötigt zur Her­stel­lung und Puf­fer­ung der al­ka­li­schen Lösung.

Ich habe das Kaf­fee- und das So­da­pul­ver ver­mischt und mit etwa 27 °C warmem Wasser angesetzt, es je­doch ver­säumt, die Brühe auf die üblichen 20 °C run­ter­zu­küh­len.
Den Film habe ich direkt an­schlie­ßend 25 Mi­nu­ten lang ent­wick­elt; dabei in der ersten Minute ständig und dann alle 30 Sekunden zweimal gekippt. Ge­stoppt habe ich wie üblich mit Wasser, fixiert in ei­nem al­ka­li­schen Fi­xier­bad.

Zwei Streifen mit Mittelformat-Schwarzweißnegativen nebeneinander auf einer Leuchtplatte. Beide Negative zeigene mehrere Bücher zu fototechnischen Themen nebeneinander auf eiem Stuhl. Die Negative links sehen normal aus, der rechte Streifen ist unregelmäßig braun gefärbt. (Foto: Martin Frech, 9/2007)
Die in Rodinal (li.) und Caffe­nol (re.) ent­wick­el­ten Ne­ga­tive auf der Leucht­platte.
(Foto: Mar­tin Frech, 9/2007)
Zwei Streifen mit Mittelformat-Schwarzweißnegativen nebeneinander auf einer Leuchtplatte. Beide Negative zeigene mehrere Bücher zu fototechnischen Themen nebeneinander auf eiem Stuhl. Die Negative links sehen normal aus, der rechte Streifen ist unregelmäßig braun gefärbt. (Foto: Martin Frech, 9/2007)

2. Ergebnisse

Mehrere Bücher zu fototechnischen Themen nebeneinander auf eiem Stuhl (Schwarzweißbild) (Foto: Martin Frech, 9/2007)
Negativ­scan: Test­bild auf FP4 plus, ent­wick­elt in Caffe­nol (Foto: Mar­tin Frech, 9/2007)
Mehrere Bücher zu fototechnischen Themen nebeneinander auf eiem Stuhl (Schwarzweißbild) (Foto: Martin Frech, 9/2007)
Mehrere Bücher zu fototechnischen Themen nebeneinander auf eiem Stuhl (Schwarzweißbild) (Foto: Martin Frech, 9/2007)
Negativ­scan: Test­bild auf FP4 plus, ent­wick­elt in Rodinal 1+50 (Foto: Mar­tin Frech, 9/2007)
Mehrere Bücher zu fototechnischen Themen nebeneinander auf eiem Stuhl (Schwarzweißbild) (Foto: Martin Frech, 9/2007)

3. Ausblick

Beim nächsten Mal werde ich zu­erst das Soda kom­plett auf­lös­en bevor ich den Kaf­fee einrühre.
Wie groß der Einfluß der Tem­pe­ra­tur bei der Ent­wick­lung mit Caffe­nol ist, weiß ich nicht. Ver­schie­de­ne Quel­len geben un­ter­schied­liche Emp­feh­lung­en; ich werde mit den klas­sisch­en 20 °C wei­ter­ar­bei­ten.
Der Grad der Färbung soll von der Kaf­fee­sor­te und der Ent­wick­lungs­zeit ab­hän­gig sein. Den Kaf­fee werde ich nicht wechseln – die Ent­wick­lungs­zeit kann je­doch durch Zugabe von 2 g Vitamin C zu obigem Rezept (das gibt dann Caffe­nol C) deut­lich auf etwa 12 Mi­nu­ten ver­kürzt wer­den. Die Färbung soll dann fast ver­schwin­den.

Den Fixierer eben­falls durch etwas haus­halts­üb­li­ches zu er­setz­en, ist kaum mög­lich. Man könnte den Film zwar, wie weiland William Tal­bot seine Ka­lo­ty­pien, in Salz­was­ser baden. Das wäre je­doch keine dau­er­haf­te Fixage, da die Sil­ber­salze dabei nur in Sil­ber­chlo­ri­de um­ge­wan­delt wer­den würden, die schwer löslich sind und daher in der Schluß­wäs­se­rung kaum aus­wasch­bar wären; die Schicht würde mit der Zeit schwarz wer­den. Schon Tal­bot hat daher bald (auf John Herschels Rat) mit Thio­sul­fat fixiert.

Für Caffe­nol gibt es neben Caffe­nol C noch Va­ri­an­ten zur bild­mäßi­gen Ent­wick­lung von Mi­kro­fil­men (Caffe­nol LC und Caffe­nol LC+C). Die Zugabe von Salz zu Caffe­nol ergibt Caffe­nol Plus; die sicht­ba­re Kör­nig­keit und der Schleier sollen damit re­du­ziert wer­den.

Neben Kaffe gibt es noch andere mehr oder weniger haus­halts­üb­li­che Sub­stan­zen, die zur Film­ent­wick­lung ge­nutzt wer­den können, bei­spiels­wei­se der schmerz­lin­dern­de und fieber­sen­ken­de Arz­nei­stoff Ace­ta­mi­no­phen/Pa­ra­ce­ta­mol. Des­sen Struk­tur­for­mel hat Ähn­lich­keit­en mit p-Amino­phe­nol, der ent­wick­lungs­wirk­sa­men Zutat in Agfa Rodinal. Der Ent­spre­chen­de al­ter­na­ti­ve Ent­wick­ler ist unter dem Namen Pa­Ro­di­nal be­kannt; ein Rezept fin­det sich auf den Sei­ten von Donald Qualls ⁠4, die Ent­wick­lungs­zei­ten ent­spre­chen denen von Rodinal. Bei flickr gibt es eine Gruppe zu diesem The­ma ⁠5. Eine all­ge­mei­ne­re Gruppe, die alle al­ter­na­ti­ven Ent­wick­ler umfasst, ist die homemade soup-Gruppe ⁠6.


Fußnoten.
1Williams, Scott: A Use for that Last Cup of Coffee: Film and Paper De­vel­op­ment. Online ver­füg­bar. URL: http://www.rit.edu/˜andpph/text-coffee.html [2007-09-29]
um­ge­zo­gen: ⁠ ⁠https://people.rit.edu/andpph/text-coffee.html [2020-06-11]
(Das ist die online-Version ohne Bil­der eines Textes, der 1995 in der Zeit­schrift Darkroom & Creative Camera Techniques er­schie­nen ist.)
2http://www.digitaltruth.com/techdata/caffenol.php [2007-09-29; nicht mehr da]
um­ge­zo­gen und Rezept leicht ge­än­dert: ⁠ ⁠https://www.digitaltruth.com/data/formula.php?FormulaID=169 [2020-06-11]
3Junge, Karl-Wilhelm und Hübner, Günter: Fo­to­gra­fi­sche Chemie. Aus Theorie uns Praxis. 5. verb. Aufl. Leip­zig: VEB Fo­to­kino­ver­lag, 1989.
4http://silent1.home.netcom.com/Photography/Dilutions%20and%20Times.html#Parodinal [2007-09-29; nicht mehr da]
Alex Bish­op-Thorpe hat Qualls Rezept ge­sich­ert: Film Developer Recipe: Pa­Ro­di­nal. Online ver­füg­bar. ⁠ ⁠https://www.analoguelab.com.au/film-developer-recipe-parodinal/ [2020-06-11]
5⁠ ⁠www.flickr.com/groups/parodinal/ [2007-09-29; 2020-06-11]a
6⁠ ⁠www.flickr.com/groups/53495661@N00/ [2007-09-29; 2020-06-11]b
ahttps://www.flickr.com/groups/parodinal/
bhttps://www.flickr.com/groups/53495661@N00/
chttps://www.medienfrech.de/foto/NzF/2007-10-04_Martin-Frech_Kodak-TMZ-in-Kaffee.html

Nachtrag:
Ich habe einen wei­te­ren Film mit Caffe­nol ent­wick­elt und die Er­geb­nis­se auf­ge­schrie­ben: ⁠ ⁠Kodak TMZ in Kaf­feec.

Zitierempfehlung (.BibTeX, .txt):
Frech, Martin: »Film­ent­wick­lung in Kaf­fee«. In: Notizen zur Fotografie, 2007-09-30. Online: https://www.medienfrech.de/foto/NzF/2007-09-30_Martin-Frech_Filmentwicklung-in-Kaffee.html
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	author  = {Frech, Martin},
	date    = {2007-09-30},
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Zitierempfehlung:
Frech, Martin: »Film­ent­wick­lung in Kaf­fee«. In: Notizen zur Fotografie, 2007-09-30. Online: https://www.medienfrech.de/foto/NzF/2007-09-30_Martin-Frech_Filmentwicklung-in-Kaffee.html$1