NzF

Was stirbt denn da?

Martin Frech
Abstract.
Be­mer­kung­en zum am 5. April 2006 von Deutsch­land­radio Kul­tur ge­sen­de­ten Hör­stück »Rot­licht und Dun­kel­kam­mer«.

Das Deutsch­land­radio Kul­tur hat am 5. April ein Hör­stück ge­sen­det zum »Ster­ben der ana­lo­gen Pho­to­gra­phie.« Ich habe das nicht ge­hört, ei­ne Tran­skrip­ti­on ist je­doch on­line ver­füg­bar⁠ [1].

Der Au­tor Uwe Spring­feld nimmt ak­tu­elle Un­ter­neh­mens­nach­rich­ten (von Agfa, Nikon, Konica Mi­nol­ta usw.), die teil­wei­se auch an die­ser Stel­le [im alten blog] ver­mel­det wurden, zum Anlaß für ei­ne Be­stands­auf­nah­me und fragt, ob ge­gen­wär­tig ei­ne Tra­di­tion zu En­de geht.
Die Fra­ge liegt auf der Hand: ent­spre­chend wird ja in letz­ter Zeit viel ge­jam­mert in un­seren Krei­sen; pa­ra­dox­er­wei­se oft von Leuten, die ih­re ei­ge­nen Bil­der nicht mehr auf Film spei­chern. De­nen rufe ich zu: »Wenn Euch was ab­geht, dann nehmt doch Eu­re al­te Ka­me­ra aus dem Schrank, legt ei­nen Film ein und seid zu­frie­den.« Au­ßer­dem pho­to­gra­phiert kein Mensch di­gi­tal – nur das Spei­cher­me­di­um für die ana­lo­ge Pho­to­gra­phie hat sich ge­än­dert. Viele Leu­te spei­chern ih­re Bil­der zur Zeit eben lieber di­gi­tal als analog, ist ja oft auch zweck­mä­ßiger. Die In­dus­trie rea­giert da­rauf, muß da­rauf re­agie­ren, das ist ja schließ­lich ein Markt.

Wa­rum je­doch sind di­gi­tal ge­spei­cher­te Bil­der prin­zi­pi­ell kei­ne Pho­to­gra­phi­en, wie ⁠ ⁠Prof. Klaus Dierßen (Uni Hil­des­heim)a, ei­ner von Spring­felds Zeu­gen, be­haup­tet? Was ist so schlecht da­ran, dass das Dis­play mit nor­ma­lem Au­gen­ab­stand be­trach­tet wird? Wenn ich nicht ge­ra­de mit der Klein­bild­ka­me­ra ar­bei­te, ist das schließ­lich der Nor­mal­fall – wie früher auch schon. Ich kann das wohl schät­zen.

Im an­ge­führ­ten Tran­skript wird Dierßen mit der Aus­sa­ge zi­tiert, die di­gi­ta­le Pho­to­gra­phie sei ein »Si­mu­la­kom« der klas­sisch­en Pho­to­gra­phie. Lei­der weiß ich nicht, was ein Si­mu­la­kom ist. Viel­leicht hat das ja et­was mit dem von Virilio, Baudrillard u⁠.⁠ ⁠a⁠. auf­ge­wor­fe­nen Prob­lem zu tun, nicht mehr zwi­schen Ori­gi­nal und Ko­pie un­ter­schei­den zu kön­nen. Aber dass es kei­ne Pho­to­gra­phie nach der Pho­to­gra­phie gibt, wie Dierßen sagt? Was soll denn das?

Viel­leicht wer­den ja bald die ersten Photos ver­kauft, auf deren Rück­seite ein Stück der zer­schnit­te­nen Spei­cher­kar­te klebt (Ori­gi­nal!). Klar könn­te der Künst­ler die Da­ten vor­her ko­piert haben. Aber wa­rum soll die­ser weniger Ver­trau­en ge­nie­ßen als sein analog spei­chern­der Kol­le­ge?

Nach­trag
Ich habe bei Prof. Dierßen nach­ge­fragt, mei­ne Ver­mu­tung war richtig: er hat tat­säch­lich vom »Si­mu­la­crum« ge­re­det. Auch an­de­re Teile des In­ter­views sind sei­ner Aus­sa­ge nach falsch Wie­der­ge­ge­ben.
Das wirft kein gutes Licht auf das von mir ge­schätz­te Deutsch­land­radio.


Fußnoten.
1⁠ ⁠deutschlandfunkkultur.de/rotlicht-und-dunkelkammer-100.html [2025-02-02]
ahttp://www.uni-hildesheim.de/de/13172.htm
Zitierempfehlung (.BibTeX, .txt):
Frech, Martin: »Was stirbt denn da?«. In: Notizen zur Fotografie, 2006-04-10. Online: https://www.medienfrech.de/foto/NzF/2006-04-10_Martin-Frech_Was-stirbt-denn-da.html
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Frech, Martin: »Was stirbt denn da?«. In: Notizen zur Fotografie, 2006-04-10. Online: https://www.medienfrech.de/foto/NzF/2006-04-10_Martin-Frech_Was-stirbt-denn-da.html$1